Warum interessieren die Geiseln nicht?

Gunther Keller, Wendlingen. Zum Artikel „Hamas Geiselvideos schockieren Merz und Macron“ vom 4. August.

Die Hamas hält noch sieben israelische Geiseln mit deutschem Pass gefangen: Rom Braslavski, Tamir Nimrodi, Gali und Ziv Berman, Alan Ohel, Tamir Adar und Itag Chen wurden nach Gaza entführt. Ihre Namen kennt in Deutschland niemand und schon gar nicht die 200 kulturschaffenden Unterzeichner eines offenen Briefes an Kanzler Merz. Die Geiseln werden nicht erwähnt, aber man fordert Merz auf, Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, Abkommen für wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit zu beenden und für einen Waffenstillstand und ungehinderte Hilfslieferungen zu sorgen. Die „grauenvollen Verbrechen der Hamas“ werden „aufs Schärfste verurteilt“, aber Israel und seine deutschen Unterstützer („Lassen Sie Gaza nicht sterben“) stehen als Schuldige an der Hungerkrise in Gaza da. Weder fordert man die Freilassung der Geiseln noch die Kapitulation der Hamas, die den Krieg beenden würden. Die „Jüdische Allgemeine“ hat das „selektive Empörung“ genannt, die das Geschäft der Hamas betreibe und Israel einseitig für das Leid in Gaza verantwortlich mache. Nun sind nach dem schockierenden Hamas-Video von der Geisel Evyatar David noch 162 neue Unterschriften dazugekommen und plötzlich sind auch die Kulturschaffenden erschüttert und fordern die Geiselbefreiung. Zu einem Appell an die Profiteure der Katastrophe kann man sich immer noch nicht durchringen. Tel Shohan (505 Tage in Geiselhaft) äußerte sich im Interview mit der Tagesschau zum Zweck der Geisel-Videos: Sie sollen zum Vergleich mit den Bildern hungernder Kinder aus Gaza aufrufen. Noch bis vor zwei Wochen habe man Hoffnung auf einen Waffenstillstand gehabt, aber seit der Ankündigung europäischer Staaten, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, sei die „Hamas obenauf“ und müsse nur warten, „bis die Europäer ihr Geschäft erledigen“. Ach ja – Starmer, Macron und andere sind natürlich auch „geschockt“.