Leserbriefe

Streit um Dissertation bleibt ungeklärt

Dr. Walter Stahli, Nürtingen. Zu den Artikeln „Frauke Brosius-Gersdorf gibt ihre Kandidatur auf“ und „Ein Fall mit skandalöser Note“ vom 8. August.

Natürlich sind Herr Klingbeil und Herr Miersch (SPD) sowie Frau Dröge und Frau Haßelmann von den Grünen nicht begeistert über den Verzicht auf die Kandidatur von Frau Brosius-Gersdorf. In beiden Artikeln ist von einer skandalösen Kampagne aus Teilen der CDU/CSU-Fraktion die Rede – insbesondere wegen der Haltung der Kandidatin zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot. Was ich jedoch in beiden Artikeln vermisse, ist ein anderer, weitaus brisanterer Vorwurf: Kein Wort über die Plagiats- beziehungsweise Ghostwriter-Vorwürfe des österreichischen Plagiatsjägers Stefan Weber. Zunächst war nur von 23 Verdachtsfällen die Rede, gegen die sich Frau Brosius-Gersdorf mithilfe einer Berliner Anwaltskanzlei zur Wehr setzte. Diese Juristen versuchten zunächst, Weber mit einer Unterlassungsklage und Forderung zur Zahlung der bisherigen Anwaltskosten von 40.000 Euro einzuschüchtern. Scheinbar mit wenig Erfolg, denn daraufhin veröffentlichte Weber eine Dokumentation mit weiteren 91 Fundstellen „wortgleicher Passagen“ zu den Texten von Hubertus Gersdorf. Auch scheut Weber keine gerichtliche Auseinandersetzung und weist in einem TV-Interview darauf hin, dass, falls Frau Brosius-Gersdorf „ein Gerichtsurteil haben will“, könnten „ihre Professur und ihr Doktortitel höchstwahrscheinlich“ in Gefahr seien. Das könnte durchaus möglich sein, falls ein Gericht aus Österreich – dem Wohnsitz von Weber – urteilt, dass die Ghostwriter-Vorwürfe des „Plagiatsjägers“ zutreffen. Dann hätten wir auch eine Jura-Professorin, die in ihrer Dissertation eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben hat. So gesehen bin ich der Meinung, dass mit dem Verzicht auf die Kandidatur sowohl Frau Frauke Brosius-Gersdorf als auch ein Teil der deutschen Medien die Sache mit dem Ghostwriter unter den Teppich kehren wollen.

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