Leserbriefe

Erst das Fressen, dann die Moral?

Eva Böttigheimer, Neuffen. Zum Leitartikel „Zeitenwende an der Werkbank“ vom 14. August.

Mit großem Erstaunen habe ich dem Leitartikel entnommen, dass die Automobilindustrie und der Maschinenbau in Deutschland nicht zukunftsträchtig sind und stattdessen in der Verteidigungs- und Sicherheitswirtschaft unsere Zukunft liegt, weil dort „noch Profite locken.“ Die Agenda wird von der Suche nach neuen Chancen bestimmt, „moralische Grundsatzdebatten sind von gestern“, freut sich der Autor. Wie heißt es in Mutter Courage von B. Brecht? „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Kann eine Gesellschaft, kann Politik ohne Moral existieren? Dass Deutschland verteidigungsfähig sein muss, steht außer Frage, aber wenn Rheinmetall sich als „Faktor des künftigen Wohlstands“ sieht, bedeutet das doch, dass wir uns durch Waffenlieferungen in die Welt finanzieren wollen. Aber je mehr Waffen produziert werden, desto mehr Menschen werden ihr Leben verlieren. Will die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wirklich diese Zeitenwende? Als der frühere SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zusammen mit 120 weiteren Unterzeichnern Friedenspolitik statt Aufrüstung forderte, brach ein Sturm der Entrüstung los. Es sollte keine Gespräche mit Putin geben, Russland müsse besiegt werden. Hätten Deutschland und Europa sich früher diplomatisch bemüht und nicht nur auf Waffenexporte gesetzt, wäre den Menschen in der Ukraine viel Leid erspart geblieben und die Basis für Verhandlungen wäre außerdem deutlich besser gewesen, als sie es jetzt ist.

Zur Startseite