Peter Rauscher, Nürtingen. Zum Bericht „Dachdecker statt Dichter und Denker“ vom 6. März. Bildungspolitik braucht einen langen Atem, um ihren Auftrag der Bildung verwirklichen zu können. Nun stimmt auch die SPD im Landkreis dem Wehklagen über Facharbeitermangel zu und begrüßt die Einführung des Faches „Wirtschaft“ in den Schulen. Die Erfahrung zeigt, dass ein solches Fach die Pressuregroups der Unternehmerverbände noch mehr beflügelt als bisher, die Schulen mit kostenlosen Unterrichtsmaterialien zu überschwemmen, die „Wirtschaft“ nur in ihrem Sinne darstellen. Der Bildungsgipfel des Herbstes 2008 (mit anderen politischen Mehrheiten als heute) betonte: „Gemeinsames Ziel von Bund und Ländern ist es, die Studienanfängerquote im Bundesdurchschnitt auf 40 Prozent eines Jahrgangs zu steigern“. Diese Forderung macht auch Sinn.
Die allgemeinbildenden Schulen haben den Auftrag, Bildung und nicht Ausbildung zu vermitteln. Nun wird geklagt, dass die Studienanfängerquote die Zahl der Bewerber um eine duale Ausbildung übertreffe und daher Facharbeitermangel drohe. Schaut man den Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2014“ an, dann scheint dies zuzutreffen. Die Studienanfängerquote betrug im Jahr 2013 tatsächlich 57,5 Prozent. Und diese Zahl scheint auch die Unkenrufe vom „Akademikerwahn“ zu bestätigen. In Wirklichkeit sind in dieser Zahl der Studienanfänger auch 86 000 enthalten, die ihre Studienberechtigung im Ausland erworben haben. Und 2013 begannen 423 000 Studienanfänger ein Studium, die zuvor in einer dualen Ausbildung waren.
Liest man den jährliche Ausbildungsreport des DGB, dann kann man vielleicht nachvollziehen, woher diese hohe Quote kommt. So wurde 2014 fast jeder vierte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst. Im Ausbildungsreport 2014 des DGB wird beklagt: „Statt über unbesetzte Stellen und einen Fachkräftemangel zu klagen, sollten diese Betriebe lieber qualifiziert ausbilden und den Ausbildungsrahmenplan sowie die Arbeitszeiten einhalten. Wer Fachkräfte für die Zukunft sichern will, muss bei der Ausbildungsqualität ansetzen.“ Und schließlich kann man die jungen Menschen verstehen, die einen Hochschulabschluss anstreben, denn die Arbeitslosenquote beträgt bei Hochschulabsolventen 2,5 Prozent und bei Menschen mit abgeschlossener Lehre fünf Prozent. Hier können sich die Unternehmerfunktionäre gut einbringen, um diese Zahlen zu verändern. Hätte sich der SPD-Kreisparteitag mit solchen Zahlen und den Problemen der Auszubildenden auseinandergesetzt, wäre er wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis gekommen statt zur dürftigen Formulierung „Dachdecker statt Dichter und Denker“. Wir brauchen beides. Es ist allerdings jedem unbenommen, seine Kinder oder Enkelkinder Dachdecker werden zu lassen.
Leserbriefe | 21.06.2025 - 05:00
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Leserbriefe | 21.06.2025 - 05:00
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