Leserbriefe

Der Rabe holte sich den Meisenknödel

Gabriele Klink, Nürtingen. Wir wundern uns schon seit geraumer Zeit, dass in unserem Fliederbaum immer wieder die aufgehängten Meisenknödel samt Metallhaken spurlos verschwinden. Ob sich Eichhörnchen an das Kraftfutter wagen? Wir rätselten und hingen tapfer den nächsten Knödel auf. Und vor einigen Tagen kamen wir dem Rätsel auf die Spur. Zufällig schauten wir durch das Fenster zum Vogelhäuschen und dem Fliederbaum. Fasziniert und maßlos erstaunt genossen wir sprachlos ein ganz besonderes Schauspiel.

Auf unserem Garagendach wippte ein großer schwarzer Rabe krächzend hin und her und beäugte den Baum. Schritt für Schritt hüpfte er fliegend, klug um sich blickend und sich sichernd, näher und ließ sich endlich neben dem aufgehängten Meisenknödel nieder. Geschickt, gekonnt, spitzbübisch um sich blickend, rüttelte und schüttelte er an dem gerade aufgehängten schweren Knödel und das Unglaubliche geschah: Nach wenigen Minuten hebelte er die Fracht nach oben aus, pflückte den schweren Knödel samt Metallhaken fast mühelos vom Ast, flog mit ihm dicht über dem Rasen in Nachbars Garten und genoss ausgiebig sein clever errungenes Frühstück.

Etwas später holte ich den Knödel samt Haken aus Nachbars angrenzendem Garten zurück, löste den Haken und entfernte das fast vollständig zerhackte grüne Knödelnetz. Ich deponierte das Frühstück auf unserem kleinen Rasenstück. Doch der clevere Rabe war ein Meisterdieb. Irgendwo hockte er und beobachtete mich und flog zum zweiten Mal an, näherte sich dem Knödel ohne ihn eine Sekunde aus den Augen zu lassen, krallte sich ihn und flog auf und davon. Mir erschien es, als ob er mir von Weitem laut krächzend zurief „Reingelegt!“ und mich nach Rabenart verschmitzt ein wenig auslachte. Aber vielleicht täuschte ich mich da und ein anderer Rabe krächzte zufrieden in den Morgen.

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