Leserbriefe

Alten Friedhof wieder nutzen

Klaus Hauber, Nürtingen. Zum Artikel Grabschändung auf dem alten Friedhof vom Mittwoch, 6. Juni. Der Diebstahl der Metallstatue von der Grabstätte der Familie Melchior sollte zum Anlass genommen werden, darüber nachzudenken, ob die damalige Schließung des alten Friedhofs und seine seitherige Verwendung allein als abgelegener Ort gelegentlichen Gedenkens am Volkstrauertag die richtige Entscheidung gewesen ist. Die Frage ist dabei: Soll mit der weiteren Nutzung als Friedhof wirklich gewartet werden, bis irgendwann in Oberensingen alle Grabstellen belegt sind?

In Tübingen hat vor etlichen Jahren der Gemeinderat die Wiederbelegung des alten Friedhofs beschlossen. Den Bürgern wurde der Kauf von Grabstätten ermöglicht. Im Gegensatz zu Nürtingen war dieser Friedhof auch nach seiner Schließung nicht abgeräumt worden, und er erfreut sich bis heute regen Besuchs durch Spaziergänger oder Bürger, die ihre Gräber pflegen. Der Tübinger Bergfriedhof hingegen liegt genau wie der Nürtinger Waldfriedhof weit außerhalb.

Die weitgehende Abräumung des alten Friedhofs in Nürtingen hat neben unansehnlichen Brachflächen den Verlust bedeutender Grabdenkmäler mit sich gebracht. Man findet noch einige mit Namen berühmter Menschen dieser Stadt, manche sind versteckt gelegen abseits der Wege, andere liegen verborgen hinter Wildwuchs von Hecken und Sträuchern. Manche sind so verwittert, dass sie abgeräumt gehören. Hätte nicht längst ein Verlag einen kleinen Fotoband zu diesen Denkmälern herausbringen sollen, in dem man die Lebensläufe dieser Bürger, ihre Werke oder Familiengeschichten nachlesen könnte? Die letzte mir bekannte Führung fand im Jahr 2000 statt.

Noch verlassener wird der Friedhof sein, wenn, wie beschlossen, das jetzige Gemeindepsychiatrische Zentrum, das neben dem Friedhof liegt, in ein paar Jahren nach Fertigstellung des neuen, im Bau befindlichen Kreiskrankenhauses in das jetzige Krankenhaus umzieht. Dann wird auch nicht mehr die Glocke der alten Kapelle zu hören sein, und dann würde man vielleicht nur noch durch das Anbringen und Verschließen von Friedhofstoren die Wiederholung von Grabschändungen unterbinden können. Eine neue Nutzung der Kapelle sollten die evangelischen Kirchengemeinderäte ernsthaft erwägen. Die Diskussion um Friedwälder und das beispielhafte Interesse an Beerdigungen auf Tübingens altem Friedhof könnten doch eine Anregung dafür sein, Nürtingens alten Friedhof, der heute nicht einmal als Park Menschen anzuziehen scheint, alsbald aus dem Museumswinkel zu holen und ihn wieder zu einem Ort zu machen, der zum Leben gehört, zum Ort des Abschiednehmens und des Gedenkens.

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