Wirtschaft

CO2 unter dem Meer: Wann wird die Infrastruktur gebaut?

CO2-Leitungen sollen wichtige Industriestandorte anbinden. (Archivbild) Julian Stratenschulte/dpa

Am Freitag befasst sich der Bundesrat mit einer umstrittenen Novelle, die die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) unter Nord- und Ostsee ermöglicht. Angedacht ist, dass das schädliche Treibhausgas künftig in großen Mengen zur Küste gebracht und von dort aus weitertransportiert wird. Die Gesetzesänderung regelt ferner den Aufbau der Infrastruktur, die auch genutzt werden soll, um CO2 der Industrie zuzuführen - wenn gebraucht. 

Die Deutsche Presse-Agentur hat recherchiert, welche Infrastruktur vorhanden ist und welche Vorbereitungen zum Ausbau laufen. 

Bislang ist es in Deutschland einzig zur Forschung erlaubt gewesen, CO2 abzuscheiden und unterirdisch zu speichern. Die Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes würde es Firmen ermöglichen, das Verfahren standardmäßig einzusetzen und die notwendige Infrastruktur aufzubauen. 

Das Abscheiden und dauerhafte unterirdische Speichern von CO2 wird in der Fachsprache kurz als CCS bezeichnet. Von CCU ist die Rede, wenn das Treibhausgas wiederverwendet wird - um es beispielsweise für Feuerlöschanlagen und als Kohlensäure in Getränken zu nutzen. Die Verfahren sollen verhindern, dass CO2 die Atmosphäre erreicht. Mengenmäßig ist das Potenzial von CCS weitaus größer. 

Nicht alle Erzeuger von Emissionen können diese derzeit ganz vermeiden. Das betrifft besonders Zement- und Kalkwerke sowie Abfallverbrennungsanlagen. Weil CO2 nicht immer am Erzeugungsort gespeichert oder wiederverwendet werden kann, soll es zu Speicherstätten oder Abnehmern gebracht werden. 

Zwar kann CO2 auf Zügen, Lkws und Schiffen transportiert werden, das ist aber meist weniger effizient als der Transport durch Leitungen. Laut dem Branchenverband Gas- und Wasserstoffwirtschaft wird CO2 bereits von der Getränkeindustrie und Trockeneisproduzenten transportiert und genutzt. Zum Transport verwenden die Unternehmen vor allem Lkw. 

Industriell nutzbare CO2-Leitungen gibt es in Deutschland bislang nicht, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilt. Schließlich war der reguläre Betrieb der Pipelines bislang nicht erlaubt. Der Bau der Leitungen fällt künftig der Privatwirtschaft zu, die zumindest auf Fördermittel hoffen kann. 

Auch in der deutschen Nordsee könnten CO2-Speicher entstehen. (Archivbild) Hauke-Christian Dittrich/dpa

Im Oktober kündigte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ein voraussichtlich sechs Milliarden schweres Förderprogramm an, das auch die CCS- und CCU-Technologien einschließt. Die Summe bezieht sich auf 2026. Auf EU-Ebene stehen mehrere Fördertöpfe bereit. 

Bekannt ist, dass der Essener Netzbetreiber Open Grid Europe (OGE) an Projekten arbeitet, die in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen angesiedelt sind. Der Verband Gas- und Wasserstoffwirtschaft nennt rund ein Dutzend weitere Unternehmen, die CO2-Infrastruktur bauen wollen. Darunter sind etwa Ontras, Gasunie und Höegh Evi. 

Zwar stehen in Deutschland schon CO2-Tanks - etwa für die Lebensmittelindustrie im Hamburger Hafen. Aber Speicherstätten, die die künftige Nachfrage bedienen könnten, gibt es bislang nicht. Vom Bundeswirtschaftsministerium heißt es, der Staat plane und betreibe keine CO2-Speicher. Folglich fällt es der Privatwirtschaft zu, diese zu errichten. 

In Norwegen und in mehreren EU-Staaten gibt es dagegen schon Speicherstätten. Im norwegischen Teil der Nordsee presst das Energieunternehmen Equinor, ehemals Statoil, seit 1996 während der Gasproduktion entstehendes CO2 unter den Meeresboden. 

Beschließt der Bundesrat das Gesetz, wird es Unternehmen nach Genehmigung möglich, CO2 unter dem Meeresboden in Gesteinsschichten und erschöpfte Öl- und Gasfelder zu pressen. Das ist die naheliegendste Variante. Ausgenommen sind küstennahe Meeresflächen und Schutzgebiete. Weil CO2 zur Küste gebracht werden soll, laufen in den Küstenländern Planungen, wie CO2 verschifft werden kann. 

Umweltschutzverbände kritisieren eine mögliche Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden. Es könne vorkommen, dass CO2 entweiche. Bislang sei nicht über lange Zeit nachgewiesen worden, dass das Verfahren sicher sei. 

CO2 kann bereits über die Schiene transportiert werden. (Archivbild) Hauke-Christian Dittrich/dpa

Die Novelle erlaubte es ebenfalls Bundesländern, unterirdische Speicherflächen auf dem Land festzulegen - wenn sie das wollen. Einzelne Bundesländer, etwa Schleswig-Holstein und Niedersachsen, haben schon mitgeteilt, das nicht zu erlauben. 

Das Bundeswirtschaftsministerium schätzt, dass der Aufbau von Transport- und Speicherinfrastrukturen etwa sieben bis zehn Jahre dauern kann. Etwa Mitte der 2030er Jahre soll die Infrastruktur folglich vorhanden sein. Wirtschaftsverbände bewerten das als realistisch. OGE teilte mit, kürzere Verbindungen könnten vor den 2030er Jahren in Betrieb genommen werden. 

Laut Ministerium muss die Infrastruktur eigentlich bereits Anfang der 2030er Jahre fertig sein, um die Klimaziele zu erreichen. Deutschland strebt Treibhausgasneutralität bis 2045 an. 

Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie weist darauf hin, dass die Infrastruktur in sieben bis zehn Jahren nur aufgebaut werden kann, wenn sich das für die Investoren lohnt. In großen Teilen Deutschlands sei fraglich, ob das der Fall ist. «Es wäre daher auch nicht überraschend, wenn CCS nur in bestimmten Regionen erfolgt.» Gut positioniert sei die Rhein-Ruhr-Region. 

Ähnlich äußert sich der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft. «Eine rein privatwirtschaftliche Finanzierung wird nicht ausreichen, um eine flächendeckende Infrastruktur aufzubauen», teilte der Verband mit. Die Infrastruktur werde nicht rechtzeitig stehen, wenn die Politik nicht frühzeitig etwa die Finanzierung kläre.

© dpa-infocom, dpa:251121-930-320360/1

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