Leserbriefe

Vertrauen in die Demokratie

Stefan Kromer, Wendlingen. Einer Umfrage zufolge sind die Deutschen, wie ich bereits früher schon mutmaßte, mehrheitlich für die Demokratie. Nur die Umsetzung missfällt dem Bürger. Zu Recht, denn in der gleichen Woche war zu lesen, dass Rainer Griesbaum, der stellvertretende Generalbundesanwalt, Folter für diskussionswürdig hält. Meinungsfreiheit ist wichtig, doch ist auch wichtig, dass das gesprochene Wort Konsequenzen haben muss. Wenn ungestraft die Würde des Menschen angetastet werden darf, sei es nur in Wort und Schrift, dann ist das schon ein deutliches Zeichen an die Bürger, wie viel die Verfassung noch wert ist.

Ein weiteres Beispiel für den suboptimalen Umgang mit der Demokratie war ebenfalls letzte Woche zu lesen. Der frühere Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer gab zu, mit Firmengeldern eine Konkurrenzgewerkschaft der IG Metall unterstützt zu haben. In ihn und viele andere setzen ahnungslose Bürger ihr Vertrauen. Sei es, um ihre Aktiendepots zu mehren oder schlicht um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Wie aber könnte man einem Verfassungsfeind trauen?

Vertrauen wird in einer Demokratie ohnehin überschätzt. Ständig fordern es vor allem Politiker ein. Die erste Bürgerpflicht in einer Demokratie sollte aber Misstrauen sein. Der Bürger muss das gewählte Personal ständig kontrollieren.

Wohin grenzenloses Vertrauen führt, zeigt die Entwicklung in den USA. Die Finanzkrise soll in erster Linie von einem Finanzminister bekämpft werden, der zuvor Vorstandschef der Großbank Goldman Sachs war.

Seine fachliche Qualifikation will ich ihm gar nicht absprechen. Was seine Absichten angeht, zum Wohle des Volkes zu handeln, muss ich aber doch große Bedenken anmelden, angesichts seines in der Finanzbranche erworbenen Privatvermögens von 600 Millionen Dollar.

Wenn es nach seinem ersten Entwurf ginge, hätte er die alleinige Entscheidungsmacht über sämtliche Transaktionen und ihre Höhe. Außerdem würden alle Finanzgeschäfte der Geheimhaltung unterliegen, er wäre keinem Rechenschaft schuldig. Allein die Tatsache, dass ein Regierungsmitglied glauben kann, dass er damit durchkommt, zeigt die ganze Verkommenheit des Systems in den USA.

Wir sollten uns nicht durch zu großes Vertrauen Politiker von ähnlicher Dreistigkeit heranziehen und vielleicht auch mal unsere transatlantische Wertegemeinschaft auf tatsächliche Gemeinsamkeiten hin überprüfen.

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