Leserbriefe

Sprachkompetenz in Deutsch stärken

Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Artikel „Merkels Nachhilfe: Türken müssen Deutsch lernen“ vom 29. März. Weltweit gibt es zurzeit 135 sogenannte Auslandsschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache neben der Landessprache. Alle diese Schulen stehen in den Metropolen und sind privat getragen, mit Förderung durch die BRD. Die deutschen Schüler dieser Einrichtungen kommen aus Familien, die beruflich oder diplomatisch im Ausland tätig sind. Der Anteil der einheimischen Schüler schwankt, in der Türkei beträgt er rund zwei Drittel.

In Ankara gibt es die Schule der Deutschen Botschaft mit Filiale in Istanbul. In Istanbul selbst gibt es das „Alman Lisesi“ und das „Istanbul Lisesi“, Letzteres eine Kombination aus staatlichem türkischem Gymnasium und deutscher Auslandsschule. Auch die einheimischen Schüler müssen natürlich bezahlen, sie kommen also aus privilegierten Kreisen der Großstadt.

Die Rhetorik des türkischen Regierungschefs Erdogan verschafft ihm Anerkennung in der arabisch-islamischen Welt, deren Ziel es nach wie vor ist, die übrige Welt von der Überlegenheit des Islam zu überzeugen und ihn als Grundlage des jeweiligen Staates zu bevorzugen.

Das geht aber an der Lebensrealität unserer (nicht seiner) türkischen Mitbürger vorbei und missachtet unsere geistesgeschichtliche und gesellschaftliche Entwicklung der letzten 250 Jahre: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ohne Einschränkung.

Und, wie mir am Wochenende in Oullins ein Franzose ergänzt hat: Laizität, nämlich Staat ohne konfessionelle Aufsicht. Viele unserer türkischen Schüler sprechen keine Muttersprache mehr, sondern einen türkisch-deutschen Jugendslang. Während meiner ersten eigenen Schritte in der türkischen Sprache habe ich das selber erlebt. Meine türkischen Mädels konnten mir oft bei Fragen zur Grammatik oder Redewendungen nicht weiterhelfen. Das gleicht sich aber nicht aus durch Rückzug in türkischsprachige Schulen. Da hilft nur eine Stärkung der deutschen Sprachkompetenz.

Die populistischen Forderungen des Herrn Erdogan gehen in die Richtung der Ideale des Predigers Fetullah Gülen, der von den USA aus agiert und von Erdogan verehrt wird. Die Ziele und Bemühungen des Herrn Gülen lassen sich im Internet problemlos recherchieren und auch in unserem Nürtinger Alltag wahrnehmen – wenn man nicht drüber hinweggucken will.

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