Leserbriefe

Selbstverrat einer Partei

Kurt Schneider, Unterensingen.

Was bleibt von einer Partei übrig, wenn sie sich selbst verleugnet? Wenn sie nicht mehr dafür steht, wofür sie jahrzehntelang gewählt wurde? Die Antwort liegt jetzt schwarz auf weiß vor: im neuen Koalitionsvertrag der CDU mit der SPD. Ein Dokument von historischer Tragweite – nicht, weil es Kompromisse enthält, sondern weil es den vollständigen Selbstverrat schwarz auf weiß festschreibt. Weil es dafür steht, dass eine Partei fürs Regieren kapituliert, was ihre Überzeugungen angeht. Weil es eine Epoche beendet – die bürgerliche Bundesrepublik. Die lag schon unter und dank Merkel im Sterben, aber nun offiziell zu Grabe getragen wird. Viele hatten bis Februar gehofft, dass mit einem personellen Neuanfang auch eine geistige Rückbesinnung erfolgt. Doch der neue Koalitionsvertrag macht es endgültig offiziell: Die Merkel-Linie wird nicht nur fortgesetzt, sie wird zementiert. Der Wandel zurück bleibt aus. Stattdessen: Anpassung bis zur Selbstaufgabe. Denn was dieser Vertrag ebenfalls zementiert: Es gibt keine bürgerliche Opposition mehr – außer der AfD. Klar: Was bislang zumindest noch wie eine politische Pluralität wirkte, war in Wahrheit oft nur kosmetische Distanz. Doch jetzt fällt auch dieser Anschein. CDU und SPD, einst Gegenspieler, bilden nun eine Einheitsfront, die ideologisch kaum noch zu unterscheiden ist. Das ist nicht nur ein Bündnis – das ist eine Zeitenwende. Die CDU ist nun offiziell rot-grün. Wer diesen Vertrag liest, erkennt: Die CDU hat sich entschieden, ihre Seele dem Koalitionsfrieden, also dem Regieren, zu opfern – und ihre Wähler gleich mit. Der Skandal ist systemisch. Und er hat einen Namen: Selbstverrat. In der Geschichte der Bundesrepublik wird dieser Koalitionsvertrag als das Dokument eingehen, mit dem die CDU ihre konservative Identität nicht reformierte, sondern beerdigte. Mit Absegnung der SPD. Und mit letzter Kraft einvernehmlich zu Grabe getragen.

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