Leserbriefe

Glaubenskriege und die Vernunft

Hartmut Schewe, Aichtal-Neuenhaus. Zum Leserbrief „Nächstenliebe ist ein Gebot für alle“, vom 18. Januar. „Glauben und Vernunft gehören zusammen.“ Freilich, so wie Wasser und Feuer! Es dürfte auch den versiertesten Historikern nicht gelingen, die Zahl der Kriege die im Namen der verschiedensten Religionen geführt wurden, auch nur in Ansätzen zu ermitteln. Und Glaubenskriege gehören zu den schlimmsten! Der 30-jährige Krieg ist das beste, aber nicht einzige Beispiel einer Verquickung von religiösen und politischen Zielen. In beiden Weltkriegen und zum Beispiel in Korea und Vietnam wurden noch Waffen gesegnet. Oft von christlichen Geistlichen der gleichen Konfession, aber verschiedener Nationalität.

Hält man sich die Tatsache vor Augen, dass Kriege die größtmögliche Vernichtung von Kapital, Rohstoffen, Energie und Menschenleben in kürzest möglicher Zeit darstellen, fragt man sich, was das mit Vernunft zu tun hat. Und, welcher Glaube ist vernünftigerweise der richtige, der eines Buschmanns aus der Kalahari oder der eines Papstes? Buddhismus, Hinduismus, Shintoismus? So viele Glauben und alle Gläubigen glauben, sie würden den richtigen Glauben glauben. Das Gleichnis von der Ehebrecherin im Neuen Testament: „Wer von euch ohne Schuld, der werfe den ersten Stein“ ist einfach genial! Ob Jesus Gottes Sohn und von jungfräulicher Geburt ist, ob die Sache wirklich so ablief wie in der Nürtinger Zeitung zu lesen, ist Glaubenssache und völlig gleichgültig, aber die Aussage ist zutiefst menschlich und setzt vernünftige Verhaltensregeln im Umgang miteinander. Ob alles stimmt, was im AT über die zehn Gebote steht, die Sache mit dem Berg Sinai und dem brennenden Dornbusch, ist piepschnurzegal, aber die Gebote stellen einen vernünftigen Regel- und Verhaltenskatalog dar.

Außerdem erinnern sie an die Tafeln des Hammurabi, dem ersten schriftlichen Gesetzeskodex der Menschheit. Von gleicher Qualität ist auch das Zitat von Rosa Luxemburg, der Mitbegründerin der KPD, 1919 von nationalistischen Offizieren ermordet: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Auch hier eine zutiefst demokratische und tolerante Verhaltensregel, die in jeder menschlichen Gemeinschaft unverzichtbar ist. Sie hat nur einen Haken; man kann sie nicht nur fordern, man muss sie selber praktizieren. Das gilt auch für die Völkergemeinschaft. Man kann sie auch nicht herbeiprügeln oder gar -bomben, sie kann nur durch Einsicht und Vernunft erreicht werden.

Auf dem Reichstag zu Worms meinte Luther, er würde nur widerrufen, wenn er „durch die Bibel oder allgemeine Vernunftsgründe widerlegt“ würde. In den zwölf Artikeln der Bauern findet sich seinerzeit Ähnliches.

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