Leserbriefe

Fortschritt in Sachen Schulden

Eugen Schnell, Nürtingen. Zum Tagesthema „Zug um Zug“ vom 6. März. Stuttgart 21 wurde vom Aufsichtsrat durchgewunken, weitere zwei Milliarden Mehrkosten werden zu den bisher genehmigten 4,5 Milliarden investiert. Im Tagesthema wird sogar noch von Herrn Reisinger für die Entscheidung der 18 Aufsichtsräte der Bahn Respekt gezollt. Herr Molitor hatte sicher seine Freude an diesem so überaus neutralen Tagesthema-Schreiber, der die Meinung vertritt, dass „jede wie auch immer geartete Behelfs-Lösung inzwischen unverhältnismäßig teuer und schlechter als S 21 wäre“.

Was dem K-21-Befürworter bleibt ist Enttäuschung. Enttäuschung über die gelungene Täuschung durch die Bahnvorstände. Bei einer nicht repräsentativen Befragung durch die Nürtinger Zeitung kam heraus, dass bei der Volksabstimmung vier von den fünf Befragten für S 21 gestimmt haben, die heute bei einem Kostenrahmen von 6,5 Milliarden aber nicht mehr dafür stimmen würden. Die Bahn ist meisterhaft im Hochrechnen bei den Ausstiegskosten und stümperhaft beim Errechnen der tatsächlichen Neubaukosten. Oder waren die falschen Rechnungen etwa kalkuliert, um nicht bei der Volksabstimmung abgeschmettert zu werden? Die Lügenpack-Rufe der Gegner sind kein Ausdruck eines chronisch dagegen agierenden Wutbürgers, sondern Ausdruck des Gefühls, hintergangen worden zu sein.

Wenn Herr Kefer nach weiteren zwei Jahren gestehen muss, dass auch 6,5 Milliarden nicht reichen, gibt es keinen Ausstieg mehr. Es heißt dann wieder: Ausstiegskosten zu hoch. Es wird weitergebaut, wie beim Berliner Flughafen oder wie bei der Elbphilharmonie, bei der sich die Kosten verfünffacht haben. Wer zahlt die Zeche? Wir alle, aber ein bisschen mehr trifft es diejenigen, die ohnehin wenig haben: Fahrkarten werden teurer, weniger rentable Bahnverbindungen werden nicht saniert. Der kleine Mann fährt dann halt im Schaukelzug und braucht halt noch mehr Zeit als bisher.

Grundstücksspekulanten, Immobiliengeschäfte und Investoren in Supereinkaufszentren verdienen sich trotzdem eine goldene Nase. Ein angenehmer, sehr pünktlicher Bahnhof mit einem auf einer Ebene liegenden Ein- und Ausstieg für alle Züge wird zerstört. Bäume im Schlossgarten wurden zerstört (weitere werden sterben infolge Austrocknung). Auch Ladengeschäfte in der Innenstadt drohen der Konkurrenz durch ein riesiges Shopping-Center auf der ehemaligen Gleisanlage zu unterliegen. Und die Baugrube überlebt vielleicht sogar den Herrn Grube. Die Herren Nils Schmid (Finanzminister) und Claus Schmiedel (Fraktionsvorsitzender) von der Sozialen Partei Deutschland ließen bisher nichts von den Einwänden gegen S 21 an sich ran. Die Wahl wird zeigen, ob es sich gelohnt hat, die zahlreicher werdenden Kritiker in den eigenen Reihen niedergebügelt zu haben.

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