Leserbriefe

Evolution und Schöpfung

Harald Rösner, Frickenhausen. Zum Artikel Gott statt Darwin: Fromme Christen wollen mehr Bibelstunden im Biologie-Unterricht vom 24. Juli. 200 Jahre nach Darwin steht für die biologische Wissenschaft fest, dass der heutige Mensch durch Evolution aus der Stammgruppe der Primaten hervorgegangen ist. Wer von diesem Faktum überzeugt ist, muss aber nicht zwangsläufig Atheist sein. Ebenso ist es falsch, jemanden, der die Schöpfungsgeschichte in der biblischen Form annimmt und für sich auslegt, immer gleich als Kreationisten abzustempeln.

Wissenschaft und Religion müssen sich nicht ausschließen, auch wenn von beiden Seiten immer mal wieder eine strikte Abgrenzung gefordert wird. Auch streng rational denkende Naturwissenschaftler müssen sich fragen lassen, wie sie sich den Ursprung und das geheimnisvolle Zusammenspiel von Energie und Materie vorstellen, was dann durch Evolution zu der fantastischen Vielfalt an Lebensformen auf unserem Planeten geführt hat. Oder anders gefragt: Warum gibt es überhaupt etwas? Spätestens da stoßen wir an die Grenzen unseres Wissens, ja unseres Vorstellungsvermögens. Deshalb wird es verständlich, dass von jeher die Menschen glauben, es müsse eine übergeordnete Allmacht geben, die letztlich alles, auch uns, geschaffen hat und der man sich anvertrauen kann.

Christen, wie auch Anhänger anderer Religionen, leben mit dieser festen Überzeugung. Sie bietet in der biblischen Ausgestaltung Halt, Hoffung und Orientierung für das tägliche Leben, sollte aber auch die Augen öffnen, um die Vielfalt der Lebensformen, ihre natürliche Evolution und ihre Wechselwirkungen zu sehen, zu begreifen, zu bewundern und zu schützen. Unsere Kinder und Jugendlichen sollten deshalb ihrem Alter entsprechend beides erfahren, im Biologieunterricht das Wissen um die Evolution und im Religionsunterricht die Fundamente des christlichen Glaubens auf dem Hintergrund der übrigen Weltreligionen. Im Biologieunterricht allerdings gibt es für die Vermittlung des Schöpfungsmythos keinen Raum. Auf dieser Basis, so meine ich, sind unsere Jugendlichen dann gut gerüstet, ihre eigene Sicht zu schärfen, um ihre persönlichen Überzeugungen zu finden und andere zu respektieren.

Zur Startseite