Leserbriefe

Ein Appell gegen das Schweigen

Gerrit Pohl, Nürtingen. Zum Artikel „UN: Ganz Gaza ist von Hungersnot bedroht“ vom 31. Mai.

Ankündigung des israelischen Außenministers Katz: Israel werde im besetzten Westjordanland einen israelischen Staat errichten. Auch diese aktuelle Nachricht macht erneut deutlich, dass jeder – aus politischem Kalkül geäußerte – Zweifel an dem von Israel verübten Genozid und der offensichtlichen Vertreibung (nicht Evakuierung!) der gesamten palästinensischen Bevölkerung hinfällig ist. Auf einer anderen Grundlage sollte nicht mehr gedacht werden.

Dass zwei Millionen Menschen hungern, 500.000 akut vom Tod durch Verhungern bedroht sind, und die Versorgung mit Hilfsgütern unmöglich gemacht wird, ist schlicht ein Mittel zum Zweck. Aus diesem Grund hat auch der Internationale Gerichtshof entsprechende Urteile gefällt – Urteile, die erfreulicherweise von vielen unserer europäischen Nachbarstaaten und Partner mitgetragen werden. Das Wort „Freund“ kann ich im Zusammenhang mit Israel angesichts dieser Verbrechen nicht mehr verwenden. Übrigens trägt Deutschland eine indirekte Mitverantwortung an der Nakba, der Vertreibung der Palästinenser.

Mehr als 80 Prozent der Deutschen empfinden das Vorgehen des israelischen Militärs mittlerweile als stark unverhältnismäßig. Wir zeigen Mitgefühl, sprechen uns für eine Zweistaatenlösung aus, formulieren ungewohnt harte Worte, betonen, dass Kritik legitim sei, beobachten – und weisen hin. Doch faktisch ist das kein Handeln. Das ist Nichtstun.

Ich erwarte und wünsche mir, dass endlich auch argumentationsresistente Israellobbyisten wie unser Antisemitismusbeauftragter Felix Klein – derzeit erstaunlich still – sowie kirchliche Institutionen und selbst der Zentralrat der Juden klare Positionen gegen diese unglaublichen Folgen eines offen gelebten Rassismus beziehen. Oder wird extremer Rassismus und Nationalismus – je nachdem, wen er betrifft – unterschiedlich bewertet? Mein Demokratieverständnis wird auf eine harte Probe gestellt.

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