Gesundheit im Alltag

Blutvergiftung erkennen – Leben retten: Nürtinger Chefarzt sagt, worauf es ankommt

Professor Torsten Schröder, Chefarzt der Intensivmedizin an der Medius-Klinik Nürtingen, erklärt, welche Warnzeichen einer beginnenden Sepsis man kennen sollte, um sie schnellstmöglich behandeln zu lassen.

Sepsis, eine unterschätzte Gefahr. Eine schnelle Behandlung ist notwendig, um Leben zu retten. Foto: Getty Images

NÜRTINGEN. Eine Infektion hat wohl jeder Mensch schon einmal erlebt – sei es eine Grippe, eine Blasenentzündung oder nach einer Hautverletzung. Meist heilt der Körper diese Infektionen selbst. Doch manchmal gerät die Abwehr außer Kontrolle: Dann droht eine Sepsis, im Volksmund oft „Blutvergiftung“ genannt. Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland: Mehr Menschen sterben pro Jahr daran, als an einem Schlaganfall oder Herzinfarkt zusammen. Sie ist ein lebensbedrohlicher Notfall, über den viele Menschen noch zu wenig wissen.

Was ist eine Sepsis?

Auch wenn eine Sepsis umgangssprachlich „Blutvergiftung“ genannt wird, ist sie keine Vergiftung, sondern die schwerste Form einer Infektion. Sie entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nicht mehr in der Lage sind, eine örtlich begrenzte Infektion einzudämmen. Die Erreger gelangen in den Blutkreislauf und aktivieren sowohl das Immunsystem als auch das Gerinnungssystem.

Dabei richten sich die Abwehrprozesse nicht nur gegen die Erreger, sondern auch gegen eigenes Gewebe. Organe wie Lunge, Herz und Niere können geschädigt werden – bis hin zu Multiorganversagen. Eine unbehandelte Sepsis führt immer zum Tod. Auch deshalb ist sie ein akuter medizinischer Notfall.

„Sepsis ist ein absoluter Notfall. Wenn Patienten zu spät kommen, bleibt oft nur wenig Zeit, um ihr Leben zu retten. Deshalb ist es so wichtig, dass die Bevölkerung die Warnzeichen kennt“, erklärt Professor Torsten Schröder, Chefarzt der Intensivmedizin an der Medius-Klinik Nürtingen.

Wie häufig ist eine Sepsis – und wie groß ist die Gefahr?

In Deutschland erkranken jährlich mindestens 230.000 Menschen an Sepsis, davon sterben mindestens 85.000.

Symptome und Warnzeichen

Eine Sepsis kann durch jede Form der Infektion, durch Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten hervorgerufen werden und Patientinnen und Patienten jeder Altersstufe betreffen. Sepsis beginnt oft unspezifisch, was eine rasche Erkennung erschwert. Typische Anzeichen sind:

• ein plötzlich starkes, nie gekanntes Krankheitsgefühl

• schneller Puls und schnelle Atmung
• plötzliche Verwirrtheit oder starke Benommenheit
• auffällige Hautverfärbungen (blass, fleckig, bläulich)

• niedriger Blutdruck

Wenn mehrere dieser Symptome in Kombination mit einer Infektion auftreten – etwa nach einer Erkältung, Wundinfektion oder Blasenentzündung –, sollte man sofort handeln. Je früher die Therapie beginnt, desto besser sind die Chancen.

Was tun im Notfall?

  • Nicht abwarten: Bei Verdacht auf Sepsis zählt jede Minute.
  • Notruf wählen: 112 – oder ärztlicher Bereitschaftsdienst unter 116 117.
  • Beim Arztbesuch klar schildern: welche Symptome, wie plötzlich sie aufgetreten sind, mit welchen Infektionen man zu tun hat. „Dank moderner Intensivmedizin können heute viele Patienten eine Sepsis überleben. Entscheidend ist, dass wir rechtzeitig beginnen können“, betont Professor Schröder.

Wer ist besonders gefährdet?

Zu den Risikogruppen gehören:

  • Ältere Menschen
  • Säuglinge und Kleinkinder
  • Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder chronischen Erkrankungen
  • Personen nach Operationen, mit großen Wunden oder invasiven Medizinverfahren

Leben nach Sepsis und Langzeitfolgen

Etwa 75 Prozent derjenigen, die eine Sepsis überleben, leiden unter Spätfolgen. Diese können dauerhaft sein und das Leben stark verändern. Spätfolgen können zum Beispiel sein: körperliche Schwäche, Nervenschäden, Probleme mit Organfunktionen, psychische Belastungen oder dauerhafte Einschränkungen.

Was kann man vorbeugend tun?

  • Impfen: Zum Beispiel gegen Grippe, Pneumokokken, COVID-19.
  • Gute Hygiene, vor allem bei kleineren Wunden.
  • Infektionen ernst nehmen: früh behandeln lassen, nicht einfach abwarten.

Fazit

Sepsis kann jeden treffen. Sie ist ein Notfall, bei dem jede Minute zählt. Wer Infektionssymptome zusammen mit ungewöhnlich starkem Krankheitsgefühl, Verwirrtheit, Schockzeichen oder Hautveränderungen bemerkt, sollte sofort medizinische Hilfe rufen. Aufklärung und Wissen über Sepsis können Leben retten.

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