Geschichten aus der Klinik

Gebaut, um Leben zu retten: Die neue Zentrale Notaufnahme der Medius-Klinik Nürtingen

Schnellstmögliche Hilfe und medizinische Notfallversorgung: Die Planung der neuen ZNA an der Medius-Klinik in Nürtingen mit Hubschrauberlandeplatz und Zufahrt für den Liegendtransport basiert auf einem ausgeklügelten Konzept.

Der zentrale Wartebereich für Patienten und Angehörige. Foto: MARKUS BRAENDLI
Der fußläufige Zugang zur Notaufnahme und zur Bereitschaftspraxis. Der neue Gebäudeteil befindet sich vom Parkplatz kommend vor dem bestehenden Klinikgebäude rechts. Foto: MARKUS BRAENDLI
Von der Liegendeinfahrt geht es direkt in die ersten Untersuchungsräume. Foto: MARKUS BRAENDLI
Das Herz des Neubaus: Der zentrale Raum der Mitarbeitenden ist sozusagen dieSchaltzentrale. Von hier aus werden die Versorgungsabläufe in kürzester Zeit abgestimmt und koordiniert. Foto: MARKUS BRAENDLI
Stefan Schneider (rechts) und Steffen Hirsch vom Architekturbüro„arabzadeh.schneider.wirth“. Foto: MARKUS BRAENDLI
Modernste Technik im Dienst der Patienten, wie hier im zentralen Mitarbeiterraum. Foto: MARKUS BRAENDLI
Triage-Räume für die erste Einstufung der Dringlichkeit und des Schweregrades der Erkrankung. Foto: MARKUS BRAENDLI

NÜRTINGEN (lh). Eine junge Frau kommt zu Fuß in Begleitung ihrer Freundin in die Zentrale Notaufnahme auf dem Nürtinger Säer. Sie hat sich beim Teezubereiten Teile der Handoberfläche mit kochendem Wasser verbrüht und ihre Freundin, die zufällig dabei war, hat sie gleich hergefahren.

Ein älterer Herr ist bei sich zu Hause unglücklich auf der Treppe ausgerutscht. Jetzt hat er starke Schmerzen und kann sein Bein nicht mehr bewegen. Seine Frau hat die Notrufnummer 112 gewählt. Mit dem Krankenwagen wird er in die Notaufnahme gebracht.

Auf der Autobahn hatte sich ein Unfall ereignet. Ein Autofahrer verlor das Bewusstsein und prallte auf die Leitplanke. Der Schwerverletzte wird mit dem Hubschrauber nach Nürtingen in die Notaufnahme geflogen.
Dies sind mögliche Szenarien, warum Menschen die neue Zentrale Notaufnahme der Medius-Klinik in Nürtingen aufsuchen oder warum sie hierher gebracht werden. Anfang Februar hat sie ihren Betrieb aufgenommen.

In enger Abstimmung mit Ärzten und Pflegepersonal geplant

„Die neue Zentrale Notaufnahme mit 3856 Quadratmetern Bruttogeschossfläche ist wie ein kleines Krankenhaus“, erklärt Steffen Hirsch, zuständiger Architekt des Architekturbüros „arabzadeh.schneider.wirth architekten“ mit Sitz in Nürtingen und Stuttgart. Viele werden sich noch an das frühere Nürtinger Architekturbüro Weinbrenner, Kuby, Rehm erinnern, das übrigens auch das alte Klinikgebäude auf dem Säer geplant hatte.

Stefan Schneider, einer der drei geschäftsführenden Gesellschafter der Architektenpartnerschaft, zeichnet für die Generalplanung verantwortlich. Er sagt: „Die Planung erfolgte in engster Abstimmung mit den Nutzern, bestehend aus den Ärzten und dem Pflegepersonal. Sie ist quasi ein Beteiligungsprojekt.“ Es sei ein Glücksfall gewesen, dass neu gebaut wurde, da man so auf die Bedürfnisse besser reagieren konnte als bei einem bestehenden Gebäude.“

Man sah sich Best-Practice-Beispiele an und hatte deutschlandweiten Austausch. Anhand eines Modells wurden mögliche Abläufe simuliert. „Wir haben uns immer gefragt, wie ist es das Beste für die Nutzer“, so Schneider. Nachhaltigkeit in Betrieb und Nutzungs(dauer) seien ebenfalls wichtige Kriterien gewesen. Das Resultat dieses Entwicklungsprozesses ist das bestmögliche Konzept für Nürtingen. Mit dem Bau wurde Anfang 2022 begonnen. Pandemiebedingte Herausforderungen und Preissteigerungen sowie Lieferprobleme, verursacht durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, mussten bewältigt werden. Fertiggestellt war der Bau im Herbst 2024.

Kurze Wege, modernste Technik, optimierte Behandlungsprozesse

Die neue Zentrale Notaufnahme bietet kurze Wege, modernste technische Infrastruktur und optimierte Behandlungsprozesse, betonen die Architekten. Zwei Schockräume mit dazwischenliegendem CT (Computertomograf), eine Beobachtungsstation mit neun Betten und eine angegliederte Bereitschaftspraxis sollen die effiziente Versorgung von Notfallpatienten gewährleisten. Geschätzt 30.000 Personen werden hier künftig pro Jahr versorgt.
Die neue ZNA ist Teil eines Großprojektes, das 2019 mit dem Neubau des Bettenhauses begonnen hat, erläutert Steffen Hirsch. Anschließend wurde ein Hybrid-OP mit dazugehöriger AEMP, einer Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte, errichtet. Derzeit läuft der Umbau des Patientenservicecenters. „Das ist auch eine Spezialität hier an der Nürtinger Klinik. Patienten können zentral an einem Ort warten, bis sie zu ihrer jeweiligen Untersuchung aufgerufen werden“, so Steffen Hirsch. Die Kosten für die Erweiterung des Klinikstandorts Nürtingen belaufen sich auf 70 Millionen Euro, die vom Land Baden-Württemberg mit 42,1 Millionen Euro bezuschusst werden.

Wer jetzt die Medius-Klinik in Nürtingen vom Parkplatz kommend besucht, wandelt auf dem „Gesundheitsboulevard“. Der Neubau der Notaufnahme mit separatem Eingang befindet sich rechter Hand vor dem Klinikkomplex. Wenn man geradeaus weiterläuft, erreicht man über den dort zugehörigen Haupteingang die bestehende Medius-Klinik.

Neubau mit Notaufnahme, Tages- und Nachtbereitschaftpraxis sowie Röntgenabteilung

Der Neubau beherbergt vier Abteilungen, erklärt Architekt Hirsch. Die Notaufnahme, eine Tages- und eine Nachtbereitschaftpraxis sowie eine Röntgenabteilung, die von der ganzen Klinik mit genutzt wird.

„Für die erste Beurteilung der Dringlichkeit und des Schweregrades der Erkrankung stehen im Eingangsbereich Triage-Räume zur Verfügung“, heißt es in einer Mitteilung der Medius-Kliniken. Ein eigener, sogenannter Fast-Track-Behandlungsbereich ermögliche die schnelle Behandlung aller Patienten mit leichten Notfällen.

Zentraler Stützpunkt für das interdisziplinäre Team

Kernstück des Konzepts ist der zentrale Mitarbeiterstützpunkt. In diesem Raum fließen alle Informationen zusammen, das interdisziplinäre Team kann auf kurzem Weg und schnellstmöglich das weitere Vorgehen abstimmen. Alle Behandlungseinrichtungen sind um diesen Raum herumgruppiert. „Vom Stützpunkt aus kann das ärztliche und pflegerische Personal schnell von einem Einsatzort zum nächsten gelangen und alle Bereiche über Monitore überwachen“, heißt es in der Mitteilung weiter.

Liegend-Einfahrt für vier Fahrzeuge

„Die Liegend-Einfahrt für vier Fahrzeuge ist direkt mit dem Schockraum und dem CT verbunden.“ Dank der vorausschauenden Bauweise müssen Liegen und Betten nicht gedreht werden.

Zur ZNA gehört außerdem eine Kurzliegerstation mit neun Betten, auf der Patienten 24 Stunden und länger stationär behandelt werden können. Eine Separierung bestimmter Bereiche, beispielsweise aufgrund einer Pandemie, ist möglich.

Beheizbarer Hubschrauber-Landeplatz

Der neue Hubschrauber-Landeplatz auf dem Dach des Neubaus ist ebenfalls mit dem Behandlungsbereich verbunden. Er hat eine befestigte Fläche von rund 730 Quadratmetern und mit Fangnetz insgesamt einen Durchmesser von 35 Metern. „Die Oberfläche ist zur Eisfreihaltung beheizbar und auch bei schlechtem Wetter nutzbar. Er ist sozusagen für alle Widrigkeiten ausgelegt , so die Architekten.

Vorausschauende Planung

Vieles habe man mit dieser Planung bereits vorweggenommen, was die Gesundheitsreform jetzt mit sich bringt, erklärt Steffen Hirsch. Den Stahlbetonbau haben die Planer bewusst so ausgelegt, dass eine Aufstockung möglich ist. Auch aus bauphysikalischer Sicht war der Neubau besonders, wie Diplom-Ingenieur Thomas Cejnek, GN Bauphysik Finkenberger und Kollegen Ingenieurgesellschaft mbH, erklärt.

Trotz in Teilen großer bauphysikalischer Herausforderungen für die Dichtigkeit des Gebäudes und den Wärmeschutz wurde in Zusammenarbeit mit den Architekten, der Haustechnik- und der Tragewerksplanung praktikable Lösungen und Antworten auf normative Vorgaben für bauliche Randbedingungen gefunden. Das Gebäude erfüllt damit die Anforderungen an den KfW-Standard eines Effizienzgebäudes 40. Unter wirtschaftlichen und organisatorischen Aspekten wurde auf eine autarke Energieversorgung des Neubaus verzichtet und das vorhandene Wärmenetz des Klinikums als Wärmeträger herangezogen.

Bedeutendes Projekt – für die Menschen gemacht

Steffen Hirsch, der ausführende Architekt, hebt hervor: „Die Abstimmung und Kooperation mit allen am Projekt Beteiligten sowie der Stadt Nürtingen. Wir haben alle zusammen intensiv an dem gemeinsamen Ziel gearbeitet. Und Stefan Schneider betont: „Für uns als Architekten ist der Neubau der Zentralen Notaufnahme ein wichtiges Projekt im Portfolio. Aber es ist mehr als das. Als Nürtinger Büro identifizieren wir uns in besonderem Maße damit. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass es ein sehr gutes Ergebnis für die Stadt, den Landkreis und vor allem für die Menschen wird.“

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