Leserbriefe

Fragliche Wende in Afghanistan

Rolf Löffler, Köngen. Zum Artikel „Afghanistan den Afghanen“ vom 29. Januar. Lange hat es gebraucht, bis man in Afghanistan von einem Krieg gesprochen hat. Unserem Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg konnte man wenigstens noch „kriegsähnliche Zustände“ abringen. Sehr viele, viel zu viele junge Männer – teilweise erst gerade mal 20 Jahre alt – kehren traumatisiert und für ihr Leben gezeichnet aus Afghanistan zurück. In Sekundenbruchteilen werden die Soldaten in Kämpfe verwickelt, die nicht selten aus dem Hinterhalt kommen. Es ist ein ungleicher Krieg. Hier die Taliban, al-Qaida und radikale Islamisten, die oft mit Selbstmordattentaten sogar Landsleute umbringen. Und dort die Truppen, die sich nach menschenrechtlichen Kriterien wehren und das Land mit seiner Bevölkerung beschützen sollen.

Ein einseitiges, überaus gefährliches Unterfangen, geht man davon aus, dass der „heilige Krieg“ unter dem Deckmantel des Koran – zum Beispiel Sure 47 (4) oder Sure 61 (9) – geführt wird, und wenn man bedenkt, dass die mehrheitlich westliche Welt, wir, die Ungläubigen, den Gläubigen in Afghanistan die Sicherheit gewähren, am Aufbau mithelfen und die Staatsbediensteten schulen. Untersuchungsausschüsse in diesem Ausmaß wie nach dem Luftangriff am 4. September letzten Jahres auf zwei Tanklastzüge werfen für mich viel zu viele Fragen auf. Schon am Tag darauf (5. September!) war in der Presse zu lesen, dass die Taliban zuvor die Tanker gekidnappt und die Fahrer geköpft hätten und dass beim Bombardement neben Talibankämpfern auch Zivilisten betroffen wären. Was will man jetzt noch untersuchen? Wer hat die Angriffe befohlen? Waren die Angriffe rechtens? Das endlose Gezerfe im „Aufklärungskommando Kundus“, wer was gewusst hat oder nicht, ist schon peinlich. Köpfe sind gerollt. Selbst der Verteidigungsminister steht am Pranger, obwohl er Anfang September noch nicht im Amt war.

Dann fordert der amerikanische ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal noch mehr Risikobereitschaft der Bundeswehr und allgemein eine Aufstockung der Truppen. Damit es noch mehr Untersuchungsausschüsse gibt? Auf der internationalen Konferenz in London vor ein paar Tagen machte der afghanische Präsident Hamid Karsai klar, dass er noch zehn bis 15 Jahre auf ausländischen Truppeneinsatz hoffe.

Wie verzweifelt müssen unsere Weltpolitiker sein, wenn sie jetzt auch noch die fanatischen, wohl aber „gemäßigten Gotteskrieger“ mit einem (finanziellen?) Aussteigerprogramm ködern wollen. Man kann problemlos Menschen kaufen, aber niemals deren Glauben und Gesinnung. Wieder nur ein untauglicher Versuch, die verworrene Lage in Afghanistan in den Griff zu bekommen?

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