Licht der Hoffnung
Der ganze Mond
Licht der Hoffnung: Don & Giovannis rissen ihr Publikum in der Kelter in Beuren mit
Ja, was war das denn? Eine Opern-Gala? Ein Operetten-Abend? Eine Jazz-Session? Vielleicht von allem ein bisschen und doch nichts davon: Don & Giovannis schenkten den Besuchern des dritten Konzerts im Rahmen des Festivals der Hoffnung vorgestern in der Kelter in Beuren ein Erlebnis der ganz besonderen Art.
„Crossover“ – so lautet eines der Stichworte, mit dem man Musik heutzutage zu schubladisieren versucht. Wenn man nicht weiß, was es ist, dann ist es halt Crossover. Aber das greift bei Andreas Winkler und seinem Ensemble Don & Giovannis zu kurz. Viel zu kurz.
Es ist eben mehr als ein Mix verschiedener Stilrichtung. Es ist etwas ganz eigenes. „Fatto in casa“ – so heißt deren neue CD. Auf Deutsch: Hausgemacht. Und genau so wie die Pasta, die die Mama daheim zubereitet, ist diese Musik: Ganz eigen. Unverwechselbar.
Fünf Prinzen küssen das Dornröschen wach
„La Luna“: So hieß der Titel, mit dem Don & Giovannis nach dem Konzert, das die Unterensinger Rechtsanwaltskanzlei Dr. Mitsdörffer, Weible und Kollegen möglich gemacht hatte, ihr Publikum in die Nacht entließen und dabei einen Brahms-Walzer und eine Arie aus Antonin Dvořáaks Oper „Rusalka“ so zart, je geradezu zärtlich ineinander fließen ließen, dass man nie und nimmer gedacht hätte, dass es sich im Grunde um zwei Melodien handelt.
Da konnte einem schon Matthias Claudius in den Sinn kommen: „Seht Ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und dennoch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost verlachen, weil uns’re Augen sie nicht sehen!“
Genau das machen Don & Giovannis: Sie zeigen einem mit ihrer Kunst den ganzen Mond, eben alles, was in einer Melodie steckt, was sich verborgen hält, aber im Grunde darauf wartet, entdeckt zu werden.
Für viele ist Klassik ein Graus. Oder etwas Totes, das vor sich hinrottet. Bis dann fünf Prinzen vom Schlage von Don & Giovannis kommen, dieses Dornröschen wachküssen und wieder zum Leben erwecken. Zu neuem Leben. Und das ist mehr als eine Kopie von dem, was einmal war. Weit mehr.
Da wird selbst eine Schnulze wie Emmerich Kálmáns „Grüß mir mein Wien“ zum jazzigen Schmankerl, da kann man dann beim neapolitanischen „Dicintello vuie“ (das Lucio Dalla unter dem Titel „Caruso“ weltberühmt machte) regelrecht dahinschmelzen, da geht das eifersüchtelnde „Quando m’en vo“ aus Puccinis „La Boheme“ (eigentlich ein Duett) auch als Solo ob seiner Innigkeit regelrecht unter die Haut.
Da erfasst die pulsierende Lebensfreude des Balkan sogar den „König der Nacht“ (wie Andreas Winklers Version der berühmten Sopran-Arie aus Mozarts „Zauberflöte“ betitelt ist), da endet die Arie des Lenski aus Tschaikowskis „Eugen Onegin“ in einer atemberaubenden Klezmer-Orgie, da sieht man dank des fantastischen Bass-Solos Peter Gossweilers den Klein Zack aus „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach vor dem inneren Auge seine waghalsigen Flickflacks drehen, da wird Lehars „Dein ist mein ganzes Herz“ zum Soul-Event und Offenbachs „Barcarole“ durch einen Rap veredelt. Und zum Gefangenenchor aus Verdis „Nabucco“ kann man Boogie tanzen.
Und wenn dann der ganze Saal Flothos „Martha, Martha, du entschwandest“ voller Herzensfreude einstimmt, dann spürt man: Andreas Winkler ist mehr als ein grandioser Charmeur, sondern ein großer Künstler, der das Innerste erreicht.
Seine ganze Wirkung kann dieser Abend aber nur durch die vier Jungs an seiner Seite entfalten: Felix Brühwiler hat sowohl die neapolitanische Mandoline als auch den Gitarren-Groove beim Blues drauf, Sven Angelo Mindeci ist ein Akkordeon-Virtuose, der in allen musikalischen Genres seinesgleichen sucht, und Rafael Baier verzückt mit seinen Saxophon- und Klarinetten-Soli sein Publikum Mal um Mal. Und wie gesagt: Gossweiler ist am Bass weit mehr als der Rhythmusgeber im Hintergrund.
Allesamt sind sie Jazzer vom Feinsten. Aber allesamt auch mehr als das. Nämlich tragende Säule eines Gesamt-Kunstwerks. Eines, das keinerlei technischer Hilfsmittel bedarf. Sondern dessen Wirkung und Zauber darin wurzelt, dass es eben hausgemacht ist. Fatto in casa.
Und daher daheim in der Küche oder dem Wohnzimmer genauso seine Wirkung entfalten kann wie im riesigen Konzertsaal. Es braucht nur eins im Publikum: Dass nicht nur Augen und Ohren geöffnet werden, sondern auch das Herz. So wie es die Menschen am Sonntag in Beuren taten.