Kirchheim
„Holocaust gezeichnet“ in Kirchheim: Wenn Bilder zu Zeitzeugen werden
Das Ludwig-Uhland-Gymnasium zeigt eine besondere Wanderausstellung. Interaktiv erfährt man mehr über das Leben der Auschwitz-Überlebenden Ella Liebermann-Shiber.
KIRCHHEIM. Links im Vordergrund der Zeichnung dudelt ein Volksempfänger. Daneben liegen dicht an dicht Menschen auf dem Boden. Auf Brusthöhe befindet sich eine Bahnschwelle. Ein SS-Wachmann tänzelt auf ihr. „Tötungsmethode“ hat Ella Liebermann-Shiber (1923 bis 1998) diese Zeichnung genannt. Sie überlebte zusammen mit ihrer Mutter das Konzentrationslager Auschwitz, weil sie sehr gut zeichnen konnte.19 Bleistiftzeichnungen der Holocaust-Überlebenden sind in der Wanderausstellung „Holocaust gezeichnet“ zu sehen. Derzeit macht die Schau Station im Ludwig-Uhland-Gymnasium (LUG) in Kirchheim. Ausgestattet mit einem Tablet, taucht man in die Welt der Künstlerin ein. Audioaufnahmen, Fotografien und Videoclips stehen zur Verfügung. Schulen, aber auch Begegnungsstätten können die Ausstellung buchen. An einigen Schulen war sie bereits zu sehen. Die Initiative „Papierblatt“ und ihre Partner zeichnen dafür verantwortlich.
Ein Grabstein als Mahnung und Erinnerung
Schwester Anne Rentschler von der evangelischen Aidlinger Schwesternschaft hatte am LUG am Montagabend in die Ausstellung eingeführt. Die interaktive Schau ermögliche eine „Identifikation“ mit Ella Liebermann-Shiber, sagt sie. Die Ausstellung biete eine „emotionale Ansprache“, die einen zum Nachdenken anrege. Oder auch ganz einfach: „Die Bilder sprechen für sich.“ Diese sind eben auch Zeitzeugen des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte. Insgesamt 93 Bilder hat die Holocaust-Überlebende nach dem Krieg gezeichnet. Das letzte Bild in der Reihe war ein Grabstein, der an die sechs Millionen Jüdinnen und Juden erinnert, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Eben dieser Grabstein ist in einer Nachbildung auch am Ende der Ausstellung zu sehen. Auf der Wand dahinter finden sich 6000 Punkte mal 1000. Das steht für die jüdischen Opfer eines mörderischen Regimes. „Ella ist mit dem Leben davon gekommen. Ihr Vater, zwei Brüder und viele Verwandte wurden umgebracht“, sagt Rentschler. Doch das Leben ging für die Protagonistin der Ausstellung nach dem Krieg weiter. Und davon künden Bilder von ihr, ihren Kindern und ihrem Ehemann auf der Rückseite der Stellwand. „Sie strahlt auf allen Bildern Lebensfreude aus“, sagt Rentschler. Und tatsächlich: man sieht eine Frau, die immer lächelt, obwohl sie so viel Schlimmes erlebt hat. „Jeder hat in seinem Umfeld die Möglichkeit, sich für das Gute einzusetzen“, sagt Rentschler.
OB Pascal Bader zeigt sich beeindruckt
Sehr angetan von der Ausstellung zeigten sich auch Kirchheims OB Pascal Bader und Schulleiter Martin Roll. An der Schule ist man sich schnell einig gewesen, die Ausstellung ins Haus zu holen. Geschichtslehrerin Friederike Schelkes, die auch dem Schulleitungsteam angehört, hatte den Kontakt geknüpft und die Schau mit den Ausstellungsmachern vorbereitet. Im 80. Jahr der Befreiung des KZ Auschwitz sei eine solche Ausstellung besonders wichtig. „Es ist ein Privileg, dass wir in einer Demokratie leben dürfen, und dafür gilt es auch einzustehen“, sagt Schelkes. Die Ausstellung biete einen emotionalen Zugang, welchen der normale Geschichtsunterricht nicht bieten könne.