Nürtingen

Julia Hermanski spielte für Licht der Hoffnung in Nürtingen

Traditionell steht das „Licht der Hoffnung“-Konzert im Advent im Zeichen von Weihnachten. Wie schon bei ihrem Klavierkonzert vor vier Jahren stellte die Pianistin Julia Hermanski eindrucksvoll ihre Extraklasse unter Beweis und bescherte dem Publikum zwei unvergessliche Stunden.

Julia Hermanski verzauberte das Publikum mit ihrem exquisiten Klavierspiel. Foto: Holzwarth

NÜRTINGEN. Draußen ist es bitterkalt, drinnen auf der Bühne leuchtet sehr grün ein Tannenbaum, Päckchen liegen darunter. Aha, es weihnachtet sehr, wird der erste Eindruck der zahlreichen Zuhörer gewesen sein, die am Sonntagabend beim Konzert für „Licht der Hoffnung“ (die Weihnachsspendenaktion der Nürtinger Zeitung/Wendlinger Zeitung) die Kreuzkirche bis auf den letzten Platz füllten. Angekündigt war – wie schon beim LdH-Konzert im November 2018 – die vielfach mit Preisen bedachte Klaviervirtuosin Julia Hermanski. Die junge Dame taiwanesisch-deutscher Abstammung hat damals mit ihrem exquisiten Klavierspiel das Publikum schwindlig gespielt, was den Rezensenten zu Recht in höchsten Tönen schwärmen ließ. Nun also ein Weihnachtskonzert? Jein. Weihnachtliches klang im Verlauf dieses bemerkenswerten Abends durchaus an. Das Gros des Programms setzte sich allerdings aus Kompositionen zusammen, mit denen die junge Künstlerin ihre bestechende Spieltechnik und faszinierende Musikalität eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte.

Weihnachtliche Kompositionen aus aller Welt als Ratespiel

Anneliese Lieb, die Redaktionsleiterin der Nürtinger Zeitung, begrüßte die zahlreichen Zuhörer, unter ihnen der Nürtinger OB Johannes Fridrich. „Internationale Weihnachtswerke“ eröffneten laut Programmzettel das Konzert. Julia Hermanski nutzte diesen Programmpunkt für ein kleines Ratespiel, mit dem sie zugleich den kulturellen Horizont des Publikums weitete. Die sympathische Musikerin fragte nach dem Vorspiel eines jeweils kurzen Musikstücks ins Publikum, aus welchem Land wohl der Komponist desselben stammen könnte und welcher musikalischen Epoche das Werk zuzurechnen sei. Ausgesprochene Experten waren offenbar keine im Auditorium. Weder Land noch Epoche konnten auf Anhieb genannt werden. Vom Namen des Komponisten ganz zu schweigen. Es war aber auch wirklich schwer. Julia Hermanski, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen, klärte gerne auf.

Zunächst erklang Max Regers (1873–1916) „Abendgesang“, ein verspieltes kleines Werk der Spätromantik. Es folgte „Weihnachtstrost“ des dänischen Komponisten Johann Hartmann (1805–1900), der der Romantik zugerechnet wird. Der im Original aus dem 15. Jahrhundert stammende Weihnachtsklassiker „In dulci Jubilo“ erklang in einer Vertonung von Johann Sebastian Bach (1685–1750). Dem ließ Julia Hermanski eine spätromantische Pastorale des polnischen Komponisten Ignaz Friedmann (1882–1948) folgen.

Mit einem Stück aus der Oper „Der Christbaum“ von Wladimir Rubikow (1866– 1920) hatte Julia Hermanski auch einen russischen Komponisten im Repertoire. „Ich möchte damit keine politische Aussage machen“, kommentierte sie ihre Stückauswahl. Traurig, dass man heutzutage meint, das extra betonen zu müssen. Förmlich die Schneeflocken vom Himmel rieseln sah man beim nächsten Stück, das in deutscher Übersetzung auch genau so heißt: „Schneeflocken“. Geschrieben hat es der Finne Selim Palmgren (1878–1951).

Und dann schien es doch noch richtig weihnachtlich zu werden. Das Thema von „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ erklang. Das eingängige Motiv erfuhr dann allerdings eine Fülle an raffinierten Variationen, die das Leitmotiv allenfalls noch durchscheinen ließen. Das musikalische Geschehen nahm zusehend Tempo auf, wurde kontrastreicher, die Läufe immer schneller. Nach dem fulminanten Schluss erfolgte dann auch bald die Auflösung, um was es sich gehandelt hat. Mozarts „Klaviervariationen“ KV 265, geschrieben im Jahr 1781 waren es, die da so weihnachtlich klangen. Zu des Meisters Zeiten war die heute so bekannte Melodie allerdings als französisches Volkslied mit dem Titel „Ah! vous dirai-je, maman“ bekannt. Erst 1835 wurde daraus, versehen mit einem Text von Hoffmann von Fallersleben, der Weihnachts-Hit „Morgen kommt der Weihnachtsmann“.

Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen unterstützte das Konzert und damit die Aktion „Licht der Hoffnung“ wieder mit einer Spende von 3000 Euro. Bei der Übergabe des symbolischen Schecks (von links) Christian Fritsche (Senner Medien), Monika Krichenbauer (Verlegerin der Nürtinger Zeitung), Markus Einsele (Regionaldirektor bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen), Anneliese Lieb (Redaktionsleiterin der Nürtinger Zeitung) und Heiko Kaiser (Regionaldirektor bei der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen). Foto: Haußmann

Die Impression eines Schneesturms tobte durchs Kirchenschiff

Das letzte Stück vor der Pause ließ einen Schneesturm durch die Kreuzkirche brausen. Julia Hermanski intonierte die Étude no. 12 „Chasse-neige“ aus Franz Liszts „12 Études d’exécution transcendante“. Wild wirbelten die Töne, auf und ab und hin und her wogte der musikalische Sturm und fast schien es, als ob es im Saal etwas kühler würde. Der Titel von Liszts Etüden-Kollektion lässt sich mit „Etüden mit übernatürlicher Ausführung“ übersetzen. Der seinerzeit als bester Pianist der Welt geltende Musiker und Komponist hat darin eine Fülle an schwer spielbaren musikalischen Kleinodien versammelt. Julia Hermanski meisterte die technischen Schwierigkeiten mit beeindruckender Mühelosigkeit. Liszt liegt ihr, schließlich hat sie eine viel beachtete CD mit dessen Kompositionen eingespielt.

Nach der Pause ging’s mit Mozarts eingängiger Klaviersonate Nr. 11 A-Dur KV 331 weiter. Das im Jahr 1783 geschriebene Werk ist eine der bekanntesten Klaviersonaten Mozarts. Zum Klassik-Hit geworden ist der dritte Satz, ein Rondo, zu spielen „alla turca“, auch bekannt als „Türkischer Marsch“. Mit Verve von Julia Hermanski intoniert, perlte das Mozart-Werk scheinbar federleicht aus dem Bösendorfer-Flügel.

Zum Abschluss erklang noch einmal eine Komposition von Franz Liszt. Der hatte ein Faible für die Violinkompositionen Niccolò Paganinis, der nicht ohne Grund als „Teufelsgeiger“ in die Musikgeschichte eingegangen ist. Liszt hat dem legendären Flinkfinger eine Etüdensammlung mit dem Titel „Six grandes études de Paganini“ gewidmet. Julia Hermanski spielte daraus die Étude No. 3, „La Campanella“ (talienisch: Glöckchen, Handglocke)“, die auf einem Thema aus dem letzten Satz des 2. Violinkonzerts von Paganini basiert. Darin wird eine Handglocke geläutet. Die glockenhellen Diskant-Töne, gespielt auf den ganz rechten Tasten der Klaviatur, ziehen sich auch durch die spieltechnisch höchst anspruchsvolle Liszt-Etüde, die äußerst effektvoll den Schluss des offiziellen Konzertprogramms markierte.

Das begeisterte und dankbare Publikum quittierte die musikalische Extraklasse der sympathisch bescheidenen Klaviervirtuosin mit überaus lebhaftem Applaus. Zum guten Schluss wurde es dann noch einmal richtig weihnachtlich: Julia Hermanski spielte Max Regers „Der Weihnachtstraum“, eine filigran die eingängige Melodie umspielende Variation von „Stille Nacht“. Besinnlich also endeten dieser denkwürdige Adventsabend und dieses unvergessliche Konzert für den guten Zweck.

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