Licht der Hoffnung
Der Mythos lebt – wie eh und je
Licht der Hoffnung: Die Gents ließen es bei der Kult-Party im Schlachthof auch in neuer Besetzung gewaltig krachen
Der Jungbrunnen sprudelt nach wie vor: Vorgestern Abend konnte man im Nürtinger Schlachthofbräu wieder mitten in die eigene Jugend eintauchen – bei der (mindestens) zwölften Kult-Party mit den Gents ging es einmal mehr hoch her. Und das Licht der Lebensfreude und der Hoffnung strahlte hell.
NÜRTINGEN. Im Grunde war es das Altvertraute und eine Premiere zugleich: Hits der goldenen Ära des Beat sind die Basis, auf der das ganze Abtanz-Vergnügen aufbaut. Den Fans der Gents gingen sie im Lauf von fünf Jahrzehnten quasi in Fleisch und Blut über – deswegen kann die Textsicherheit dieser Generation kaum erstaunen. Und so wurde auch diesmal nach Herzenslust mitgesungen, was die Jungs auf der Bühne aus Jugendzeiten zu neuem Leben erweckten.
Womit wir bei der Premiere wären: Die Gents bestritten die Kult-Party in einer neuen Besetzung. Aus der Gründerzeit war nur noch Wolfgang „Bongo“ Arnold dabei – wie immer ein Bass-Mann erster Güte, Antreiber und Stimmungskanone.
Der Mann am Schlagzeug ist nun bereits der mit der zweitlängsten „Dienstzeit in der Truppe“: Waldemar Janicki lässt einen als Drummer immer wieder nur so staunen. „Here comes my Baby“ – ein solch geniales Solo wie er haben wohl selbst die Tremeloes nicht hingekriegt. Auch „Gitarrenprofessor“ Harald Seeger lieferte wieder eine Glanzpartie ab. Seine Soli sind ebenfalls wahre Glanzlichter und bringen den Saal immer wieder zum Kochen.
Womit wir bei den beiden Novizen des Abends wären: Rainer Botzenhardt (Keyboard) und Rudi Bayer (Gesang und Gitarre) boten einen grandiosen Einstand und fügten sich ins Gents-Puzzle so nahtlos ein, als wären sie schon immer dabei gewesen. Und dabei hatte man doch gerade mal zehn Proben Zeit, um über 50 Songs einzuüben. Wenn man das weiß, dann bleibt für diesen Abend schlichtweg nur ein Prädikat übrig: einfach Spitzenklasse!
Da wurden Ohrwürmer, die rund ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel haben, regelrecht zelebriert – „Davy’s on the road again“ von Manfred Mann’s Earthband ebenso wie „Time is tight“ von Booker T. & the MG’s oder „Black Night“ von Deep Purple.
Wenn Vergangenheit plötzlich Gegenwart wird . . .
Die große Stärke und Faszination der Gents-Partys besteht freilich darin, dass eben das, was einem auf diversen Radiokanälen immer als „größte Hits aller Zeiten“ vorgedudelt wird, eher am Rande vorkommt. Die wahren Gents-Perlen sind die Songs, die zwar auch mittendrin im Hitparaden-Geschehen waren, aber es nicht unbedingt ganz nach oben schafften (oder zumindest nicht lange).
Aber auch (oder gerade) mit ihnen verknüpfen sich ja auch ganz persönliche Erinnerungen. Und wenn die Gents loslegen, dann wird auch Vergangenheit ganz plötzlich wieder Gegenwart, dann scheint es, als ob die Zeit Jahrzehnte lang still gestanden wäre, dann ist alles und sind alle wieder beim Alten. Nein, halt: beim Jungen. Die auf dem Parkett schwofen, die auf der Bühne abrocken, und die unvergleichliche Atmosphäre, die einen damals wie heute gefangennimmt.
Auch wenn der Stehblues-Anteil (für manche bedauerlicherweise) mit den alten Zeiten nicht mehr ganz mithalten kann, so gilt doch: Der Mythos Gents lebt – wie eh und je. Anders wäre es ja wohl kaum zu erklären, dass Jahr um Jahr am Abend vor Dreikönig fast 300 Leute in den Schlachthofbräu pilgern, um sich in einen Taumel zu stürzen, der einen offensichtlich ein ganzes Leben nicht loslässt.
Wenn das unsere Eltern, die angesichts dieser Musik den Weltuntergang nahe wähnten, wüssten . . .