Leserbriefe

Zulieferer werden zu Kreditgebern

Matthias Kohn, Aichtal-Grötzingen. Zum Artikel „Daimler-Zulieferer sollen länger auf ihr Geld warten“ vom 10. November. Eine große Zahl an Zulieferfirmen aus der Region wird sicherlich mit Kopfschütteln die Schlagzeile gelesen haben. Seit Jahrzehnten ist es Fluch und Segen zugleich, wenn man als mittelständisches Unternehmen die Automobilindustrie beliefert/beliefern kann. Langfristige Verträge, mit angeblicher Preis- und Lieferlosbindung locken die Zulieferer zu waghalsigen und oft über die Vertragslaufzeit hinausreichende Investitionen. Doch bereits im zweiten Jahr kommen die Schreiben aller Automobilhersteller zu den Zulieferfirmen mit der Aufforderung, den Verkaufspreis um 1,5 Prozent oder zwei Prozent zu reduzieren. Lohnentwicklungen, höhere Beschaffungs- oder Transportkosten oder höhere Energiepreise dürfen aber nicht zu einer Preiserhöhung gegenüber dem Automobilisten angeführt werden. Und nun sollen die Zahlungsziele, die meist eh schon 90 Tage betragen, ausgeweitet werden?

Das ist ein Betrug an den mittelständiges Unternehmen in unserer Region – nein an allen mittelständiges Unternehmen in ganz Deutschland, welche sich mit der Hoffnung auf eine solide Grundauslastung ihres Unternehmens dem Joch der Knebelverträge der Automobilindustrie unterworfen haben. Herrn Finanzchef Harald Wilhelm muss man sagen, dass bei einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit – wie es in den Compliance-Richtlinien des Unternehmens zu lesen ist – dieses Vorgehen unerträglich ist. Das Unternehmen erwartet, dass die Menschen Daimler kaufen. Dann sollte Daimler auch zulassen, dass die Menschen das Geld verdienen können, um sich einen Daimler kaufen zu können. Herr Wilhelm muss sich nicht wundern, wenn im Nachlauf zu seiner Vorgabe reihenweise die Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit erkennen und der strategische Einkäufer ihm mitteilen muss, dass man nur noch in Asien Zulieferer hat.

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