Leserbriefe

Woher speist sich dieser Protest?

Wolfgang Stark, NT-Raidwangen. Nun sammelt sie wieder, die „Dagegen-Partei“, und hier meine ich nicht eine politische Partei, sondern eine lose Gruppierung mit wechselnder Konstellation. Was sie aber vereint ist, dagegen zu sein. Sei es nun ein Hotel mit Biergarten am Neckar, eine Unterkunft am Waldfriedhof oder – wie jetzt wieder – die seit zehn Jahren geplante Bebauung am Neckar (Am Wasen), um nur einige Beispiele zu nennen. Aber wofür sammeln sie? Dafür, dass ihre demokratische Abstimmungsniederlagen in den verschiedensten Gremien wie beispielsweise im Gemeinderat doch noch in einen fulminanten Sieg verwandelt werden kann. Dazu verwenden sie ein scharfes Instrument der Demokratie: den Bürgerentscheid. Dieser sollte nur bei wichtigen Angelegenheiten zum Einsatz kommen. Wer aber entscheidet, was wichtig ist? Sie, die „Dagegen-Partei“? Was unsere demokratisch gewählten Vertreter entschieden haben, soll plötzlich nicht mehr gelten, nur der wahre Bürgerwille soll jetzt entscheiden.

Aber so kann eine parlamentarische Demokratie nicht funktionieren, denn wenn man versuchen würde, alles was die Vertreter von Städten, Landkreisen und im Bund entschieden haben zu blockieren, würde es einen Stillstand geben. Aber woher speist sich dieser Protest? Meiner Ansicht nach aus zwei Richtungen. Zum einen aus denjenigen, die es nicht akzeptieren wollen, dass sie in demokratischen Abstimmungen unterlegen sind und nun, vielleicht auch aus gekränkter Eitelkeit, ein anderes Ergebnis erzwingen wollen. Zum anderen ist es ein besorgniserregender Schwund an Vertrauen in die demokratisch gewählten Institutionen, welche diese Listen für ein Bürgerbegehren hervorbringen und auch mit Unterschriften von Bürgern füllen. Man möge mir diesen Vergleich verzeihen, aber hier zeigen uns die AfD und ihre Satellitenorganisationen in allen Schattierungen, welche Formen von „das Volk sind wir“ Proteste annehmen können.

Eines sollten diejenigen auch noch bedenken, welche ihre Unterschrift unter die Listen setzen. Ein Bürgerentscheid ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sollte ein Bürgerbegehren auf Grund der erforderlichen Anzahl der Stimmen für zulässig erklärt werden, so bindet der daraus folgende Bürgerentscheid über einen längeren Zeitraum städtische Angestellte in der Wahlvorbereitung, welche eigentlich andere Aufgaben haben und kostet dadurch die Stadt richtig viel Geld. Der Bürgerentscheid gegen den Bau der Flüchtlingsunterkünfte am Waldfriedhof hat meines Wissens einen sechsstelligen Betrag (im unteren Bereich) gekostet. Mein Appell an alle mündigen Bürger lautet daher: Genau überlegen, bevor man seine Stimme der „Dagegen-Partei“ gibt. Denn sie negieren dadurch eventuell den Entscheid der gewählten Volksvertreter.

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