Leserbriefe

Wer beschützt eigentlich wen?

Michael Fronmüller, Großbettlingen. Betriebsverlagerungen gehören in unserer globalisierten Welt mittlerweile eigentlich schon zur Tagesordnung. Dies gilt insbesondere dann, wenn Betriebe rote Zahlen schreiben. Ganz anders verhält es sich bei der zum Jahresende geplanten Schließung des zum britischen IMI-Konzern gehörenden Werkes von Norgren in Großbettlingen. Hier wird durch ein engagiertes Team höchste Qualität produziert und so Gewinne für den IMI-Konzern erwirtschaftet. Warum soll dieses Werk dann geschlossen werden?

Auf diese Frage gibt es seitens der Geschäftsleitung nur die lapidare Antwort, dass es sich um eine strategische Entscheidung handelt. Der eigentliche Skandal ist aber, wie diese strategische Entscheidung umgesetzt wird. Offenbar ganz bewusst erfolgte die Bekanntmachung zu dem Zeitpunkt, als sich Mitglieder des Betriebsrates im 500 Kilometer entfernten Werk in Alpen zu einer Besprechung aufhielten.

Seit diesem Zeitpunkt befindet sich eine „Wachmannschaft“ vor Ort. Wen und was diese Leute beschützen sollen, ist unklar. Das Know-how von Norgren sicherlich nicht, denn die Mitarbeiter von Norgren streiken seit fünf Wochen vor dem Werkstor. Schaut man sich die „Wachleute“ einer Sicherheitsfirma aus Chemnitz einmal näher an, stellt man fest, dass diese auffällige Ähnlichkeiten mit den aus rechten Aufmärschen bekannten Rechten haben. Autoaufkleber wie „Jage nicht was du nicht töten kannst“ bekräftigen diese Vermutung. Damit ist wohl auch der eigentliche Auftrag der Wachmannschaft klar. Es geht nicht darum, etwas zu beschützen, sondern die streikende Belegschaft einzuschüchtern.

Unwillkürlich denkt man an die Vorgänge im Frühjahr bei dem Versandhaus Amazon. Hier wurde ebenfalls mittels einer Sicherheitsfirma Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt. Offensichtlich handelt es sich hier um eine neue Masche der Mitarbeiterführung, die im krassen Gegensatz zu internen Leit- und Compliance-Richtlinien stehen. Amazon hat sich nach großem öffentlichem Druck von dieser Sicherheitsfirma getrennt. Wann trennt sich IMI-Norgren von seiner Sicherheitsfirma?

Dass eine Betriebsverlagerung eine falsche strategische Entscheidung sein kann, haben bereits zahlreiche andere Firmen bewiesen. Die Kunden von IMI sollten daher in nächster Zeit besonders sorgfältig kontrollieren. Die streikenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben unseren Respekt und Solidarität verdient.

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