Leserbriefe

War der Preis wichtiger als die Leistung?

Thaddäus Kunzmann, Nürtingen. Zum Artikel „„An einigen Stellschrauben muss noch gedreht werden“ vom 24. Juni. Vielen Dank an die Nürtinger Zeitung für das Interview mit Herrn Schafferath von Abellio. Natürlich führt jeder Übergang zu Reibungsverlusten. Deshalb kann in der ersten Woche nach Betriebsaufnahme nicht alles klappen. Dafür hat auch jeder Verständnis.

Trotzdem klappt einfach zu viel nicht. Es fahren vornehmlich alte Züge. Diese sind störungsanfällig und bleiben zu oft liegen. Es ist auch nicht so, als würde jetzt zunehmend „Normalbetrieb“ an den Bahnhöfen herrschen. Vielmehr ist die Auslastung verglichen mit der Zeit vor Corona immer noch weit unterdurchschnittlich. Und trotzdem sind die Züge mangels Kapazitäten in den Spitzenstunden voll. Ich befürchte, hier kommt das große Erwachen noch, wenn wieder die Normalauslastung kommt.

Natürlich fährt Abellio jetzt die Züge, die vertraglich vereinbart sind. Der Fehler liegt an der Vergabe der damaligen grün-roten Landesregierung. Die Neuvergabe der Regionalstrecken in ganz Baden-Württemberg war ein Herzensanliegen des grünen Verkehrsministers. Auch wenn viele Verbesserungen gelungen sind (beispielsweise der ganztägige Halbstundentakt), blieb doch viel Qualität auf der Strecke. So zum Beispiel das DB-Reisezentrum. Es war von Beginn an klar, dass dieses von der Bahn geschlossen wird, wenn sie die Strecke im Nahverkehr nicht mehr fährt. Deshalb hätte es bereits zu Beginn bei der Ausschreibung, spätestens bei der Vergabe an Abellio, eine klare Vertragsvereinbarung zur Weiterführung geben müssen. Das wurde nicht gemacht, weil ansonsten der Preis höher gewesen wäre.

Aber auch der barrierearme Einstieg in die Züge. Ich kann immer noch nicht verstehen, warum bei neuen Zügen darauf nicht geachtet wurde. Das betrifft nicht nur Behinderte, sondern auch viele alte Menschen, die eben nicht mehr so gut zu Fuß sind. Im Übrigen sind auch die neuen Züge voller Stufen!

Tatsächlich hält der Zug auf der gesamten Strecke zwischen Tübingen und Stuttgart außer in Oberboihingen an keinem Bahnsteig, bei dem ein barrierefreier Zugang möglich ist. Es wäre möglich gewesen, dies vertraglich anders zu regeln, zumal jeder Bahnsteig an der Strecke 76 Zentimeter hoch ist. Das wusste man doch. Offensichtlich war der damaligen Landesregierung der Preis wichtiger als die Leistung.

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