Leserbriefe

Wahlerlebnisse aus der ehemaligen DDR

Martin Wachs, Nürtingen. Zum Artikel „Wohl dem Volk, das die Wahl hat“ vom 7. September. Der Artikel von Horst Matrohs erinnert mich an eine Wahl in der DDR 1951. Man bekam einen Wahlzettel etwa halb so groß wie eine Postkarte. Auf diesem Zettel waren etwa 40 bis 50 Namen verzeichnet. In größerer Schrift stand noch „Nationale Front“ und ein Stempel „Für den Frieden“. Wer war ein paar Jahre nach einem langen Krieg nicht für Frieden? Auf dem Zettel war nichts zum Ankreuzen, man konnte wohl nur einzelne Namen ausstreichen. Wie wir jetzt wissen, stand das Ergebnis ja schon vor der Wahl fest.

Noch ein anderes Wahlerlebnis: Ein Verwandter wurde nach der Vertreibung mit seinen Eltern in eine Baracke eingewiesen. Er wurde erwachsen, heiratete und bekam drei Kinder. Immer hatte er sich um eine Wohnung bemüht, da die Wohnungen in der DDR von Behörden vergeben wurden. War aber nie berücksichtigt worden. Es war wieder Wahl und die Gemeinden waren bestrebt, bis zur Mittagszeit eine 100-prozentige Wahlbeteiligung zu erreichen. Nun kamen Wahlhelfer, die die Nichtwähler aufforderten, zum Wählen zu gehen. Mein Verwandter hat es mit der Begründung abgelehnt, er gehe nur wählen, wenn er eine Zusage für eine Wohnung erhalte. Nach noch einigen Aufforderungen kam dann ein Zuständiger. Er hat nach dieser „Erpressung“ eine Zusage bekommen und ist wählen gegangen. Wir stehen auch vor einer Wahl, solche Methoden sind uns fremd.

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