Leserbriefe

Uncle Sam soll nicht verärgert werden

Emil Neuscheler, Neckartailfingen. Auch am Potomac kann man keine Politik machen, die jedem gefällt. So banal es klingt, in jeder Hauptstadt wird eine Politik praktiziert, die auf das eigene Land zugeschnitten ist. Das muss das primäre Anliegen aller Regierungen sein, sofern es sich nicht um totalitäre, sondern um demokratisch gewählte Einrichtungen handelt. Erst dann kommen sekundär verbündete und befreundete Staaten. Die BRD darf sich zu den Letzteren der Amerikaner zählen. Wir sind nicht schlecht im Kielwasser der Weltmacht über dem Großen Teich gefahren. Bei aller Kritik am Yankee-Verhalten der Amis haben wir der Großzügigkeit der USA unser heutiges Staatsgebilde zu verdanken. Wir besitzen ein demokratisch gewähltes Parlament, sind ein funktionierender Rechtsstaat, haben Rede- und Pressefreiheit und unsere Wirtschaft hat wieder Weltgeltung.

Welch ein Unterschied zum Ersten Weltkrieg mit dem Friedensdiktat von Versailles, mit den Reparationszahlungen und dem jahrzehntelangen Elend in Deutschland. Die USA haben uns nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Marshallplan unter die Arme gegriffen und eine blühende Industrielandschaft im Westen ermöglicht. Als „der Russe“ nach Berlin greifen wollte, haben die Amerikaner mit der Luftbrücke Moskau Paroli geboten. Wenn heute gegen die transatlantischen Beziehungen Stimmung gemacht wird, dann können wir nur verlieren. Angesichts einer Welt voller Krisen können wir uns eine nachhaltige Verstimmung gar nicht leisten, sei es durch die dauernde Bedrohung durch den Islamismus, die Rückkehr von Putins Russland zur Gewaltpolitik, das aggressive Gebaren Chinas im Fernen Osten oder durch das hochexplosive, nur durch die Badewanne Mittelmeer getrennte Afrika. Überall können wir zuverlässige Freunde gebrauchen, auf die wir uns im Ernstfall verlassen können. Es muss nicht unbedingt aus dem sympathischen ein verärgerter Uncle Sam werden.

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