Leserbriefe

Schutzmaßnahmen sind einfach inhuman

Klaus Seeger, Nürtingen-Zizishausen. Zum Artikel „Besuch in sicher Nähe“ vom 19. Mai. Da sitzen sie nun, die Alten und freuen sich, dass sie ihre Angehörigen wieder sehen dürfen. Hinter Glas und ohne direkten Kontakt. Und das nach wochenlanger Besuchssperre. Kann sich jemand vorstellen, was es bedeutet, wenn man seinen Kindern nicht mehr nahe sein darf? Nicht mehr die Wärme und Nähe zu spüren, auf die man sich tagtäglich freut. Seine Enkel nicht auf den Schoß nehmen zu dürfen, um ihnen Geschichten zu erzählen? Da wähnen wir uns glücklich, diese Leute vor der Krankheit bewahrt zu haben. Aber ist es das wert und wollen sie das überhaupt? Ist es höher einzuschätzen als die dringend notwendigen sozialen Kontakte zu den Angehörigen in der letzten Lebensphase? Hat denn jemand diese „Alten“ befragt, was sie wollen?

Wenn davon auszugehen ist, dass die meisten noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, dann sollte man sie doch einfach mal fragen! Wir sollten aufhören, über Palmer, Ethik und sonstige Dinge zu reden und einfach die Betroffenen direkt einbeziehen. Ist es richtig, Hilfseinrichtungen zu schließen? Ist es richtig, Hilfsangebote für Notlagen stark einzuschränken, die vorher doch als so notwendig erachtet wurden? Wir sollten dazu übergehen, die verhängten Sanktionen in diesen Bereichen zu bewerten.

Dass jetzt nicht die Zeit für Volksfeste ist und Handel, Dienstleistung, Gewerbe und Industrie besondere Schutzmaßnahmen für ihre produktiven Bereiche ergreifen müssen ist keine Frage, sondern schlicht Notwendigkeit. Im Bereich Soziales und Bildung muss allerdings sehr wohl der Effekt einer Schutzmaßnahme gegen den Folgeschaden der Betroffenen abgewogen werden. Das ist keine Frage der politischen Couleur, sondern notwendig und zutiefst human.

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