Leserbriefe

Lobhudelei schadet der Glaubwürdigkeit

Michael Lauppe, Bempflingen-Kleinbettlingen. Zu den Kommentaren „Das Symbol“ vom 26. August und „Unredlich“ vom 24. August. Wenn ich nicht in der Nürtinger Zeitung/Stuttgarter Nachrichten lese, sondern zum Beispiel die Zeit, die TAZ, den Spiegel, die Süddeutsche Zeitung, den Stern . . . oder Eisenbahn-Fachzeitschriften, lese ich überall sehr kritische Artikel über Stuttgart 21. Wie unsolide die Finanzplanung ist, wie wenig sinnvoll dies Projekt ist und wie verwunderlich es ist, dass die Stuttgarter Politiker daran festhalten. Wenn ich aber in meine Lokalzeitung schaue, dann wird Stuttgart 21 meistens verteidigt und schöngeredet. Zum Beispiel die Kommentare von J. Hamann auf der Titelseite am Dienstag und heute (Donnerstag) bringen längst widerlegte Argumente und erwecken den Eindruck, dass der Autor sich nicht ausgiebig mit der Materie befasst hat.

Dieses Projekt bringt das Land nicht verkehrspolitisch voran, wie Hamann behauptet, sondern es verschleudert die Milliarden (und es werden noch mehr Milliarden, als jetzt zugegeben), die wir für zukunftsweisende Verkehrspolitik brauchen, um mehr Verkehr, auch Güterverkehr, auf die Bahnschienen zu bringen. Es ärgert mich, dass ich solchen Journalismus mit meinem Zeitungsgeld bezahle! Am Dienstag zeigte fast die ganze Seite 19, wie schön angeblich Stuttgart 21 werden soll, aber 10 000 Demonstranten aus allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen gegen S 21 kommen nur am Rand vor. Als am Mittwoch der Abriss des Nordflügels des Bahnhofs begann, kamen Tausende spontan zu einer Protestdemonstration, zwischen Staatsgalerie und Bahnhof war die Schillerstraße voll mit Menschen, deutlich erkennbar weit über 20 000 Menschen. Und in meiner Zeitung nicht einmal ein Foto, das einen Eindruck dieser riesigen Menschenmenge vermittelt. Das Foto auf der Titelseite zeigt die am Nachmittag zunächst noch kleinere Ansammlung von Demonstranten. Soll das Foto vermitteln, dass nur wenige unterwegs waren?

Auch Redner bei der Protestveranstaltung, wie zum Beispiel der frühere langjährige Stuttgarter Bahnhofs-Chef Hopfenzitz, der bittere und fundierte Kritik an Stuttgart 21 übte, oder der SPD-Abgeordnete Conradi wurden nicht einmal erwähnt. Von meiner Zeitung wünsche ich mir umfassende und ausgewogene Berichterstattung beziehungsweise Kommentierung und keine Lobhudelei. Das schadet der Glaubwürdigkeit.

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