Thilo Tschersich, Nürtingen. Zum Artikel „Deutschland gehen die Mütter aus“ vom 18. Dezember. Alle Jahre wieder die große Frage, die die Medienwelt in die Gesellschaft feuert: warum gibt’s immer weniger Kinder? Nur, um die Antworten einer weiteren Studie hinterherzuschieben. Ich glaube weniger, dass die Gründe in den Wünschen und Zwängen des Überlebens liegen, als vielmehr in der Prioritätensetzung egozentrischer Sinnsuche und deren Missdeutung als Selbstverwirklichung. Da bin ich nämlich ganz konservativ, quatsch, schon archaisch in meiner Haltung: wir sind immer noch so sehr die „alten“ Höhlenmenschen, dass am meisten echtes Erfolgserlebnis in der erfolgreichen Vermehrung liegt. Meine drei Kinder sehen mich Vollzeit-Hausmann, ihnen wohlwollend und freudvoll gegenübertretend, dem ganzen Tohuwabohu zum Trotz. Oder hatte ich einfach nur Glück, dass ich diese Meinung in mir gefunden habe: Persönlichkeitsentwicklung hat in mir den größten Schub erhalten, durch die Reifung mit und durch die Kindererziehung.
Im Alltag erlebe ich Leben und Freude und Leid und Erfolge, wie es bis in die seelischen, wirklich selbstverwirklichenden Tiefen dringt. Na ja, vielleicht bin ich da an dem Hauptpunkt angekommen: Kinder sind das Allerwertvollste auf der Welt. Das bedeutet also auch die Begegnung mit bisher ungeahnten, tiefen Ängsten. Na, und Angst wollen wir ja doch eigentlich lieber nicht. Lieber einen unterhaltsamen Film, tägliches Happy End. Mehr Kinder gibt es also nicht durch weitere Lockmittel, die können die Ängste nicht nehmen. Sondern durch Werteverschiebung hin zum echten Leben. Ehrlichkeit. Und Offenheit. Und Freundlichkeit. Und Bereitschaft nicht nur zum lebenslangen Lernen für den Beruf, sondern für das eigene Leben – Persönlichkeitsentwicklung. Da jedoch glaubt die Gesellschaft bisher nur, modern zu sein. Wie wir alle da Bewegung reinbringen hin zum allgemeinen Eingeständnis, dass mein Leben mir wichtiger ist als mein Beruf und die Trends, ist in meinen Augen die eigentliche Frage. In der Höhle gab es sicherlich mehr Persönlichkeitsentwicklung als vor dem Fernseher. Das glaub ich ganz archaisch.
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