Leserbriefe

Hölderlinwände als Feigenblatt

Kai Hansen, Nürtingen. Zum Artikel vom 30. Juli „Gemeinderat hat die Kröte geschluckt“ und zu den Leserbriefen „Keine vollständigen Vergabeunterlagen“ und „Ohne realistische Preisschilder“ vom 8. August. Wer am 28. Juli die letzte Gemeinderatssitzung miterlebt hat, konnte staunend mithören, wie kaum eine Entscheidung ohne die Mahnung an die Stadtverwaltung auskam, doch bitte vollständige Pläne und Kostenaufstellungen zu liefern, damit die Gemeinderäte eine seriöse Grundlage für ihre Entscheidung haben.

Der OB nahm fast durchweg die angekündigten Impulsvorträge von Referenten vorweg und beeinflusste nahezu jede Entscheidung. Schließlich kam man erschöpft zum 14. Agendapunkt, dem Hölderlinhaus. Da gab es lediglich unvollständige, schwer nachvollziehbare Kostenangaben und keinen sichtbaren Raumnutzungsplan. Aus einer Tabelle konnte man erraten, dass für die Verwaltung im aufgestockten Dachgeschoss, die VHS und für Veranstaltungen circa 95 Prozent, für das Hölderlinmuseum circa fünf Prozent des verfügbaren Raumes übrig sind. Es gibt Gründe für den Unfrieden in dieser Sache, obwohl doch klar ist, dass dieses Haus baulich in einen besseren Stand zu bringen ist.

Zunächst wurde – was schert uns Hölderlin? – ein Abriss beabsichtigt. Der Buchhändler Zimmermann votierte, zum Gedenken an Hölderlin brauche man kein Gebäude. Der Abriss wurde von aufgebrachten kultur- und geschichtsbewussten Bürgern verhindert. Im nachfolgend ausgeschriebenen Wettbewerb hieß es, „das Haus soll primär als Hölderlinhaus wahrnehmbar sein“. Vielleicht wäre da sogar ein Café für Besucher möglich gewesen? Was nun dominiert ist zweifelsfrei, untermalt von kaum glaubwürdig herbeigenuschelten Hölderlinzitaten, ganz oben die Kulturamtsverwaltung und die VHS. Und was ist der ermittelte Bedarf, das Nutzungskonzept, das zur Kostendeckung beiträgt?

Fast jede Fraktion votierte, als schamvolles Feigenblatt, für den Erhalt von „Hölderlinwänden“. Bravo, nur ein Fast-Abriss und eine unbestimmte Kostensteigerung. Eine Begründung zur Entscheidung war, mehrfach wiederholt, die zwölfjährige Planung und nicht geringer Überdruss. Im ganzen Prozess wurden wieder einmal die Sphären von Stadtkultur und Wirtschaft vermischt – was nur und immer wieder neu zu unheilvollen Auseinandersetzungen führen muss. Aber gerade beidem zum Recht zu verhelfen wäre die Aufgabe von Moderation.

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