Leserbriefe

Hilfe zur Selbsthilfe ist das beste Mittel

Karl Kemmner, Unterensingen. Zum Artikel „Kann die Gentechnik die Welt ernähren?“ vom 25. Mai. Dr. Matin Qaim von der Uni Göttingen vertrat die Meinung, man könne mit der „Gentechnik“ den Welthunger besiegen. Ein Eingriff in das „Innere der Schöpfung“, so haben wir’s mit der Atomenergie erlebt, ist aber leider immer auch für Überraschungen gut. Andererseits können wir, angesichts einer Milliarde Hungernder, das Problem nicht einfach vom Tisch wischen. Franz Alt sagte: „Wenn wir nicht zu ihnen gehen, kommen sie zu uns!“

Ich erinnere mich an das Ende des Zweiten Weltkriegs, als viele nach Deutschland zurückströmten. Bei einem Weizenertrag von weniger als 20 Doppelzentner pro Hektar waren wir damals selber ein „Hungerland“. Ich war nach Abschluss an der Nürtinger Hochschule als Versuchstechniker im Institut für Bodenbearbeitung in Ulm tätig. Wir wollten durch bessere Bodenbewirtschaftung bessere Ernten erzielen. Die Ackerfläche konnte man nicht vergrößern, wohl aber (durch tiefere Pflugfurchen) den Wurzelraum der Pflanzen. Unsere Versuche wurden direkt auf den Äckern der Bauern, überall im süddeutschen Raum, unter verschiedensten Boden- und Klimaverhältnissen, angelegt. So auch in Tachenhausen, Deizisau oder Raidwangen.

Im Gegensatz zur altbäuerlichen Meinung, dass hochgepflügter „toter Boden“ Mindererträge bringe, waren bei zentimeterweiser Vertiefung und gleichzeitiger Humusdüngung (mit Mist oder einer untergepflügten Grasnarbe) die Ernteergebnisse positiv. Die Erträge stiegen. Ohne die tiefere „Ackerkrume“ könnten wir die heutige Düngung und Agrarchemie nicht umsetzen. So aber könnten wir uns heute in der BRD aus eigener Scholle ernähren.

Die „Gentechnik“ wird darum kritisch betrachtet. Wie aber hat man damals das neue „Wissen und Können“ unter den Bauern verbreitet? Der Stuttgarter Walter Feuerlein (damals Institutsleiter in Ulm) hat 1950 in Hohenlohe, nach englischem Muster, das erste Wettpflügen veranstaltet. In Tachenhausen wurde, ein Jahr später, der „Neue Wettbewerb der Landjugend“ öffentlich vorgestellt. Innerhalb weniger Jahre pflügten in der BRD alljährlich zwanzigtausend Jungbauern mit. Diesen Weg sollten wir heute, Hand in Hand mit den Eingeborenen, in unseren Entwicklungsprojekten in den Hungerländern auch gehen. Das wäre echte „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ein großer Teil des „Welthungers“ ist auch im Unfrieden begründet. „Pax arva colat“ (der Friede bebauet das Land) steht auf der Fahne der Weltpflüger-Organisation. Wer auch nur mit einem Ochsengespann hinter dem Pflug geht, ist beschäftigt, hat etwas zu verlieren und kein Interesse an Buschkriegen. Wir sollten über den Satz von Franz Alt nachdenken: Schon kommen die Flüchtlingsboote übers Mittelmeer. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist die dauerhafteste und beste Hilfe!

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