Leserbriefe

Hauptsache Neubau auf der grünen Wiese

Tobias Metzger, Nürtingen. Zu den Artikeln „Spatenstich in Großbettlingen“ vom 22. Juni, „,Steinriegel 1‘ ist auf einem guten Weg“ und „Stadt will bei Bauland mehrgleisig fahren“ vom 24. Juni sowie „Der Entwurf für die Bebauung steht“ vom 28. Juni. 100 000 Bäume gehen jedes Jahr verloren – nicht durch spektakulär lodernde Feuer wie in Brasilien oder Indonesien und die Tagesschau berichtet auch nicht davon. Es passiert in aller Stille direkt vor unserer Haustüre: in den Streuobstgebieten Baden-Württembergs! Stetig aufgrund eines kleinen Neubaugebiets hier und eines kleinen Gewerbeparks da.

Zwischen 2009 und 2019 sind die Bestände um 20 Prozent zurückgegangen (und im Vergleich zu den 1960er-Jahren waren sie da schon signifikant geschrumpft). Unsere Gemeinderäte haben das Thema Klimawandel und Verlust an Biodiversität noch immer nicht verstanden. Außer Lippenbekenntnissen und ein bisschen Kosmetik: nichts. Wie sonst könnten sie noch im Jahr 2021 Baugebiete in Streuobstbeständen ausweisen und glückselig lächelnd öffentlich den ersten Spatenstich feiern!

Das lässt für mich nur den Schluss zu, den Einstein schon hatte: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Dabei kann niemand wirklich die Frage beantworten was passiert, wenn man keine Neubaugebiete mehr zulässt. Alternativen gäbe es genug, aber unverbrauchter Boden ist wohl noch zu billig.

Abgesehen davon, dass mit den Streuobstwiesen ein ökologisch wichtiges Juwel verschwindet, ist durch, zumeist auch noch langweilig-hässliche Neubaugebiete, auch landwirtschaftliche Fläche weg. Für immer. Da freue ich mich schon auf den Tag in ein paar Jahrzehnten, wenn wieder eine Pandemie um die Welt geht und die Logistikketten zusammenbrechen. Dann stehen nicht nur die Bänder in den Fabriken still, sondern unsere Teller bleiben auch leer. Aber Hauptsache wir sitzen in einem Neubau auf der grünen Wiese.

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