Leserbriefe

Hat die SPD noch eine Chance?

Hellmut Kuby, Nürtingen. Zum Artikel „Studie: Arme bleiben arm, Reiche bleiben reich“ vom 6. November. Fast jede Woche ist auch in der Nürtinger Zeitung zu lesen, dass die sogenannte Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht. Oder von Kinderarmut. Ergebnisse von seriösen Untersuchungen unabhängiger Institutionen. Die oben erwähnte stammt von der Hans-Böckler-Stiftung (Hans Böckler 1875–1951, bedeutender Gewerkschafter). Heute leben 5,4 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, Mitte der 90er-Jahre waren es 3,1 Prozent. Gleichzeitig steigt seit 2005 der Anteil der Reichen weiter. Die Lebenswelten von Armen, Mittelschicht und Reichen fallen immer weiter auseinander. Die Untersuchung liefert keine Erklärung für diese Entwicklung in unserer reichen Bundesrepublik. Und keinen Vorschlag für eine Änderung.

Ist das zu verstehen, denn diese Entwicklung ist ja kein Naturereignis, sondern die Folge von politischen Entscheidungen. Auch gutgemeinte Entscheidungen können leider nachteilige Folgen haben. So die Agenda 2010 des SPD- Kanzlers Gerhard Schröder. Weil die deutsche Wirtschaft zum Blühen kam, wird sie von der CDU so gelobt, als wäre sie ihre Erfindung. Was aber ist der Preis dafür? Die Stichworte lauten: Hartz IV, Leiharbeit, Senkung des Jahreseinkommensteuersatzes für die Gutverdienenden von 53 auf 42 Prozent.

Es entstand eine Schicht von Benachteiligten, deren Lebensverhältnisse deutlich schlechter sind als die der Mittelschicht und der Reichen. Wer kümmert sich um diese Menschen, um die Benachteiligten, die Hilfe brauchen – von der Politik. Früher war es die SPD, die sich für bessere Lebensbedingungen der Industriearbeiter einsetzte. Und was tut die SPD heute für die Armen? Hat sie ein Programm? Ich sehe nichts. Und wie die Wahlergebnisse beweisen, bin ich da nicht allein. Die Wähler strafen die SPD ab – bis zur Bedeutungslosigkeit.

Ich sehe für die SPD nur eine Chance, wenn sie öffentlich und bald bekennt, dass die Agenda 2010 ein Sündenfall war, deren Folgen sie korrigieren wird. Sonst geht Gerhard Schröder (ungewollt) als Totengräber der SPD in die Geschichte ein. Leider.

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