Leserbriefe

Geht man so mit Menschen um?

Martina Graf, Schlaitdorf. Seit 8. Dezember haben drei syrische Familien in Schlaitdorf Obdach gefunden. Es gibt eine tolle Truppe von Ehrenamtlichen, die sich in diversen Bereichen einbringt und unseren Gästen das Ankommen hoffentlich erleichtert hat. Inzwischen lernen sie fleißig Deutsch. Unterricht wird drei Mal wöchentlich durch Ehrenamtliche erteilt. Die größeren Kinder können bald zur Schule gehen, die kleinen dürfen demnächst in den Kindergarten. Es gab bereits ein erstes Begegnungscafé und am letzten Sonntag haben „unsere Flüchtlinge“ im Rahmen des von der Evangelischen Kirchengemeinde veranstalteten Gemeindemittagessens „Nudla mit Soß“ gekocht.

Vertreter der verantwortlichen Stellen sind regelmäßig vor Ort, die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen klappt gut und jeder tut was in seiner Macht steht, auch wenn durchaus erkennbar ist, dass viele ihre Aufgaben an der Grenze der Belastbarkeit wahrnehmen. Was wir aber nun vor wenigen Tagen erlebt haben, sucht seinesgleichen. Zwei unserer Familien, wovon eine erst sehr kurzfristig davon erfahren hat, sollten zum BAMF nach Karlsruhe zur Stellung ihres Asylantrags reisen. Eine halbe Stunde nach der Abfahrt in Schlaitdorf kam ein Anruf, man habe soeben erfahren, dass eine Familie nicht nach Karlsruhe muss und wir Ehrenamtliche mögen uns doch bitte darum kümmern, dass sie nicht fahren. In Nürtingen waren sie aber bereits in den Zug gestiegen.

Durch einen glücklichen Zufall konnten wir die Familie in Stuttgart erwischen und zur Rückfahrt auffordern. Die zweite Familie bestieg den Zug nach Karlsruhe – Mutter, Vater, drei kleine Kinder, die Frau hochschwanger. In Karlsruhe beim BAMF angekommen teilte man ihnen mit, sie könnten wieder zurückfahren, auch ihr Termin falle aus. Sie waren wohl nicht die Einzigen, es sollen Hunderte Menschen dort gewesen sein, die ebenfalls unverrichteter Dinge die Rückreise antreten mussten.

Wegen der Kinder und der Schwangerschaft der Frau (das Baby soll in drei Wochen kommen) bat die Familie darum, in Karlsruhe übernachten zu können. Keine Möglichkeit, sie müssen zurück. Ende der Ansage. Wiederum einem glücklichen Zufall geschuldet (der deutsch sprechende und schon lange in Deutschland lebende Verwandte eines unserer Flüchtlinge war telefonisch erreichbar, fungierte als Dolmetscher, Fahrplanauskunft, Lotse und Schnittstelle zu uns) kam die Familie wieder nach Stuttgart, wo sie um 23 Uhr von Ehrenamtlichen abgeholt wurde.

Alle müde und völlig fertig, die Kinder nass bis auf die Haut (es hatte kräftig geregnet, die Familie hatte sich geraume Zeit auch im Freien aufhalten müssen), kamen wir in Schlaitdorf an. Glücklich waren sie, wieder „zu Hause“ zu sein. Überlastung hin oder her: So geht man mit Menschen nicht um!

Zur Startseite