Leserbriefe

Flüchtlinge als Erntehelfer?

Martina Stonjeck, Frickenhausen. Zum Artikel „Elf Monate Wartezeit für ein Visum“ vom 21. Juni. Im Artikel wird bedauert, dass die Zahl der Erntehelfer aus Bosnien, Rumänien, Polen und aus der Ukraine stark zurückgegangen ist und Spargel- und Erdbeerbauern kaum noch neue Erntehelfer finden.

Warum rekrutiert man nicht einfach Saisonarbeiter aus der nächsten Umgebung? Ich denke da an die seit mittlerweile dreieinhalb Jahren in Frickenhausen lebenden, arbeitswilligen gambischen Flüchtlinge. Sie könnten dann wenigstens zeitweise selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen, Steuern zahlen und nicht, wie ein beliebtes Vorurteil lautet, „uns allen auf der Tasche liegen“.

Ihr Alltag hätte wieder Struktur und Sinn. Stattdessen sitzen sie frustriert, zum Nichtstun verdammt, in ihren Unterkünften. Sehr verwundert hat mich beim Lesen des Artikels im Nachhinein Herrn Henzlers Argumentation mir gegenüber, als ich im März bei ihm war und nachgefragt habe, ob er gambische Flüchtlinge beschäftigen würde. Der bürokratische Aufwand wäre zu hoch, wie solle die Verständigung funktionieren und er hätte nicht die Zeit, sich zu kümmern.

Mir erscheint der Aufwand mit den ausländischen Helfern um ein Vielfaches größer! Die Beantragung eines Visums kann bis zu elf Monaten dauern. Jährlich fliegt Herr Henzler sogar nach Rumänien, um neue Saisonarbeiter zu suchen! Auch Helfer müssen ein- und ausgeflogen werden. Das müsste man eigentlich von der Ökobilanz der regionalen Produkte des Rammerthofes abziehen. Weiterhin müssen Unterkünfte bereitgestellt werden. Und die Verständigung auf Polnisch/Rumänisch ist auch nicht einfacher, oder? Im Gegenteil – die meisten Gambier sprechen Englisch und haben schon gut Deutsch gelernt, was sie dann endlich auch einmal anwenden könnten. Ich kann diese Jammerei der Arbeitgeber „wir brauchen Arbeitskräfte“ nicht mehr hören.

Warum realisieren Politiker und Arbeitgeber nicht endlich, dass genügend Arbeitswillige im Land sind? Warum dauern Genehmigungsverfahren monatelang? Auch wenn vielen Flüchtlingen die Abschiebung droht oder sie freiwillig zurückkehren werden, hätten sie das, was sie hier in Deutschland gelernt hätten, vielleicht in ihrem Heimatland in irgendeiner Form anwenden können.

Daraus resultiert, dass Armut als Fluchtursache vermindert wird. Ein riesiger Vorteil für beide Seiten. Entwicklungshilfe, die ankommt, die Früchte trägt und den hier gestrandeten Menschen ein Stück ihrer Würde zurückgibt.

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