Leserbriefe

Fehlgelaufene Schulpolitik

Eberhard Rößler, Wolfschlugen. Zu den Artikeln „Immer mehr Fünftklässler überfordert“ vom 18. Februar und „Kretschmann verteidigt Schulpolitik“ vom 20. Februar. Diese Artikel zeigen in erschreckender Weise, in welche Probleme Grün-Rot innerhalb kurzer Zeit ein bisher einigermaßen funktionierendes Schulsystem gebracht hat.

Dabei geht es gar nicht so sehr um die neu etablierte Gemeinschaftsschule, sondern vielmehr um die Tatsache, einem alten Schulsystem neue Ideen überstülpen zu wollen: Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung, In-Frage-Stellen der Notengebung und eventuell Abschaffen des Sitzenbleibens. Dies mag alles für die Gemeinschaftsschule richtig sein, passt aber nicht zu dem bisherigen Schulsystem. Die Folge ist das Austrocknen der Hauptschule/Werkrealschule und die Überfüllung des Gymnasiums. Die Realschulen bleiben einigermaßen ungeschoren. Viele Eltern sind schlichtweg überfordert, ihre Kinder richtig einzuschätzen und schicken sie zur falschen Schule. Die traurige Entwicklung ist: Sitzenbleiben oder gar Zurückstufen.

Chancengleichheit bedeutet eben nicht, möglichst viele Jugendliche zum Abitur zu bringen, sondern sie in ihren Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Der Hauptfehler von Grün-Rot war, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen. Es wurden viel zu viel Reformen durchgeführt oder angedacht, ohne die Folgen abzuwägen. Besser wäre es gewesen, erst die Gemeinschaftsschule flächendeckend einzuführen und Haupt- und Realschulen abzuschaffen, wie es Frau Dönig-Poppensieker vorschlägt. Dann hätte man ein wirkliches Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule geschaffen und die Eltern hätten eine sinnvolle Entscheidungshilfe gehabt.

Herr Kretschmann irrt sich, wenn er vorschlägt, einfach das Namensschild bei den Realschulen auszutauschen und durch den Begriff Gemeinschaftsschule zu ersetzen. Die Gemeinschaftsschule ist eine vollkommen neue Schulart, die mit dem bisherigen Schulsystem absolut nichts mehr zu tun hat. Herr Klenk meint, dass die Gemeinschaftsschule aus der Gemeinde heraus wachsen müsse. Dies scheint aber nicht im genügenden Umfang zu funktionieren, wie Herr Heirich berichtet. So aber streben fast zwei Drittel der Fünftklässler auf das Gymnasium, weil es die Hauptschule nicht mehr gibt und man Angst hat, die Realschule könnte in eine (weitgehend noch unbekannte) Gemeinschaftsschule umgewandelt werden. Das „Zwei-Säulen-Modell“ besteht demzufolge zu fast zwei Dritteln aus dem Gymnasium und zu etwas mehr als einem Drittel aus den restlichen Schulen. Der Koloss von Rhodos ist auch schon mal wegen Gleichgewichtsproblemen umgefallen.

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