Leserbriefe

Erster Akt des Sommertheaters

Helga Lorch, Köngen. Zum Artikel „Baden-Württemberg gegen Steuersenkung“ vom 5. Juli. Die angekündigten Steuersenkungen lassen das Vertrauen in die Koalition weiter bröckeln. Sie entspringen rein parteitaktischem Kalkül. Unter den zahlreichen Irrungen und Wirrungen der Bundesregierung darf die Steuerpolitik als Parade-Disziplin gelten. In schlechter Erinnerung geblieben ist nicht nur eine hoch umstrittene fiskalische Entlastung für Hotelbesitzer. Daneben gab es noch eine wahre Kaskade von Ankündigungen und Dementis, die das Wahlvolk zuletzt – wenn überhaupt – nur noch genervt zur Kenntnis nahm.

Nun hat Schwarz-Gelb diesem traurigen Kapitel eine weitere Seite hinzugefügt: Wieder einmal verheißen die Koalitionsspitzen Steuersenkungen. Aber nicht jetzt, sondern erst 2013. Obendrein bleibt offen, wie und wo genau. Was soll der Bürger damit anfangen? Sich über die Regierung freuen? Wohl kaum! Zu erwarten ist vielmehr, dass der Frust über die Koalition sogar bei den verbliebenen Anhängern umschlägt in ein „Die können es nicht“.

Wie undurchdacht die vermeintlich frohe Botschaft ist, zeigt sich schon an der praktisch zeitgleich vorgelegten Finanzplanung von Kassenwart Wolfgang Schäuble (CDU): Entlastungen für die Bürger, in welcher Form auch immer, sind darin nicht vorgesehen. Weiß hier die rechte Hand nichts von der linken? Oder schlimmer: Will sie nichts wissen?

Wenn es trotzdem gelingen sollte, ein ansehnliches Entlastungspaket zu schnüren, steht die Koalition vor der schwer zu lösenden Aufgabe, eine Mehrheit im Bundesrat davon zu überzeugen. Warum sollten SPD-regierte Länder, die dafür auch gebraucht werden, ausgerechnet für das Wahljahr ein liberales Wiederbelebungsprogramm durchwinken? Von den zahlreichen Skeptikern unter den Ministerpräsidenten ganz zu schweigen.

Bliebe eine Senkung der Sozialbeiträge, die nebenbei bemerkt als einzige Maßnahme den Geringverdienern zugutekäme, weil sie ohnehin kaum oder gar keine Steuern zahlen. Eine solche Operation kann Schwarz-Gelb allein ins Werk setzen. Dumm nur, dass die Spielräume auch hier gering sind. Einzig die Rentenkasse bietet Luft dafür. Und ob es politisch sinnstiftend ist, den allgemeinen Krankenkassenbeitrag zu reduzieren, um im Gegenzug individuelle Zusatzbeiträge auf breiter Front zu riskieren, darf doch stark bezweifelt werden.

Wie man es auch dreht und wendet: Der Bundesregierung droht mit ihrer steuerpolitischen Inszenierung eine handfeste Blamage. Das dürfte sich bald zeigen, wenn der Plan in den eigenen Reihen gewälzt wird. Ein Vorratsbeschluss, dem jede Substanz fehlt – genau, das ist der Stoff, aus dem politisches Sommertheater gemacht wird.

Zur Startseite