Leserbriefe

Erdogans Cleverness und das WM-Aus

Rolf Löffler, Köngen. Zum Artikel „Für Grindel wird die Luft immer dünner“ vom 24. Juli. Zur Debatte um die Affäre Mesut Özil und das WM-Aus: Der türkische Staatspräsident Erdogan ist ein schlauer Fuchs. Das von seiner Partei inszenierte Foto mit Mesut Özil und Ilkay Gündogan einschließlich der gewidmeten Trikotübergabe spielte dem Herrscher in die Karten – und auch weiterhin. Die Wahlunterstützung war da eher Nebeneffekt, denn Erdogan konnte sich der Stimmen der hier lebenden Türken sicher sein.

Waren Özil und Gündogan wirklich so naiv, dass sie meinten, mit ihrem Präsidenten nur über Fußball und nicht über die Politik gesprochen zu haben? Haben sie geglaubt, dass Erdogan ihnen viel Erfolg für die WM-Titelverteidigung gewünscht hat? Mit dem Foto hat Erdogan noch ein heißes Eisen im Feuer. Deutschland und die Türkei sind die einzigen Bewerber für die Fußball-EM 2024. Die heißen Debatten über Rassismus und Respektlosigkeit gibt es nicht nur hier in Deutschland; sie werden auch von der Türkei aus geschmiedet. Das alles wirft ein äußerst negatives Licht auf die deutsche Bewerbung über unsere Grenzen hinaus. Alles in allem hält Erdogan in vielen Bereichen in Deutschland clever die Fäden in der Hand.

Mesut Özil als Sündenbock für das WM-Aus zu preisen, geht am Resultat der Schmach komplett vorbei. Das ist Quatsch und populistisch. Dazu passen auch die üblichen unqualifizierten Bemerkungen unseres „Steuerexperten“ Uli Hoeneß, der wortgewaltig auf Mesut Özil einprügelt: „Özil hat seit Jahren einen Dreck gespielt und den letzten Zweikampf vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mist-Leistung hinter diesem Foto. Ich bin froh, dass dieser Spuk jetzt vorbei ist.“ Hat sich dieser Hoeneß schon mal selbst hinterfragt, wie viele der zwölf bei der WM eingesetzten Bayern-Spieler (davon sieben für Deutschland) auch nur ansatzweise „etwas gerissen“ haben?

Wo war der von Löw stets favorisierte Bayern-Block? Es war schon weit vor der WM zu sehen, dass seine Spieler ausgelaugt und von der Rolle waren. Zum Saisonende vier Tore gegen Real, vier gegen den VfB und vier gegen die Eintracht. Natürlich waren auch die anderen Nationalspieler platt und kraftlos, wie schon die Spiele gegen Österreich und Saudi-Arabien gezeigt haben. Am (Sieges-)Willen hat es bestimmt nicht gefehlt, auch nicht am Quartier.

Vielleicht ist es ein Wink an Joachim Löw, dass Nils Petersen zum zweitbesten deutschen Fußballspieler gewählt wurde. Von Leroy Sané ganz zu schweigen, der in England in der vergangenen Saison zum besten Nachwuchsspieler erkoren wurde.

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