Leserbriefe

Ein Umdenken ist notwendig

Dr. Gerhard Steigerwald, Nürtingen. Zum Artikel „Vatikan lehnt Segnung von Homopaaren ab“ vom 16. März. Das Verbot der Glaubenskongregation des Vatikans, homosexuelle Paare kirchlich zu segnen, hat viele, selbst Bischöfe, bitter enttäuscht. Die Glaubenskongregation sieht in der Segnung homosexueller Paare nicht nur eine Segnung unter den vielen Segnungen der Kirche, sondern eine offizielle kirchliche Anerkennung dieser sexuellen Partnerschaft als christliche Lebensform. Dem widerspricht aus ihrer Sicht der christliche Glaube, wonach der einzig anerkennungswürdige Ort gelebter Sexualität die Beziehung von Mann und Frau in der Ehe sei. Alles andere sei Sünde.

Offensichtlich nimmt man nicht zur Kenntnis, dass sich in den letzten Jahrzehnten das naturwissenschaftliche, psychologische und moraltheologische Verständnis der Homosexualität grundsätzlich geändert hat: Die Homosexualität ist keine krankhafte oder moralisch verirrte Form menschlicher Sexualität. Vielmehr ist sie eine im Menschen von Natur aus angelegte besondere Form der sexuellen Orientierung, die als solche willentlich nicht verändert, höchstens unterdrückt werden kann. Die Homosexualität ist ein zentrales und bestimmendes Wesensmerkmal der geschlechtlichen Eigenart homosexueller Menschen. Homosexuellen Menschen ihren Wunsch nach kirchlicher Segnung ihrer Partnerschaft zu verweigern, kommt somit der Forderung gleich, die Eigenart ihrer sexuellen Persönlichkeit und damit, sich zu verleugnen.

Erschütternde Beispiele aus der psychotherapeutischen Praxis zeigen, dass gerade diese Zurückweisung (also nicht die Homosexualität als solche) es ist, die bei homosexuellen Menschen vielfach zu tiefsten Selbstzweifeln, schwersten Depressionen, ja in Einzelfällen zum Selbstmord führt. Wäre es nicht eine dringende Aufgabe der Bischofskonferenz und der theologischen Fakultäten, Papst Franziskus persönlich um die Neubewertung der Homosexualität, auf der Basis der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse und des Beispiels Jesu, der um der Liebe willen offizielle Grenzen der Liebe überschritt, zu bitten und über die gottgeschenkte Würde einer auf Herz und Treue gegründeten Liebe eines homosexuellen Paares lehramtlich zu befinden?

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