Leserbriefe

Die geliebten Feindbilder

Peter Reinhardt, Neckartenzlingen. Zum Leserbrief „Integration einmal andersherum gedacht“ vom 15. Januar. Es gibt nicht wenige Menschen, die ihre Feindbilder sehr viel mehr lieben als ihre Feinde. Obwohl unser gern zitierter Religionsgründer es anders gelehrt hat. Aber das „Liebet eure Feinde!“ wurde und wird in der christlichen Welt – außer in folgenlosen Sonntagsreden – meistens gründlich beiseitegelassen. Mohammed hat großen Wert auf Lernen, Wissen und Bildung gelegt. Das würde ich dem Herrn Morr auch empfehlen, der ja fleißig Feindbilder verstärkt. Er/wir sollten die Tatsachen zur Kenntnis nehmen: in allen islamischen Gegenden der Welt hat es christliche Kirchen und jüdische Synagogen zu allen Zeiten gegeben – und es gibt sie noch heute – und sie funktionieren meistens reibungslos. Nur die Ausnahmen von dieser Regel werden bei uns unfairerweise heftig kommentiert. Im Iran waren und sind die Christen deswegen recht beliebt, weil man bei ihnen Alkohol kaufen kann.

Und: als die Christen in Spanien und in Sizilien siegreich waren, haben sie die Moslems und die Juden aufs Heftigste verfolgt, vertrieben und ermordet; von ihnen sind bis heute nur wenige Spuren geblieben. Es stößt an die Grenzen der Vorstellungskraft, dass sich in Spanien moslemische Gemeinden bis heute hätten halten können. Und übersteigt die Zahl der durch (christliche) Bomben getöteten unschuldigen Muslime die Zahl der bei uns von muslimischen Terroristen getöteten Christen/Europäer nicht um ein Vielfaches? Der Krieg gegen den Irak war eindeutig ein Verbrechen. Wer ist in der heutigen Welt kriegerischer – die westliche Welt oder der Islam? Wie ist es denn mit den Kreuzzügen vom Mittelalter bis zu Bush?

Über den Islam wird bei uns viel zu wenig informiert – außer über Negatives. Genau das bezwecken die Leute von Al Kaida, die selber nur einen Bruchteil aller Muslime darstellen, von uns aber als typisch wahrgenommen werden. Aber klare Feindbilder sind so schön – da wird man sich doch nicht von Fakten irritieren lassen. Wir werden mit Details, die die Feindbilder stützen, geradezu bombardiert – das verkauft sich besser. Und arg viele glauben das Schreckliche lieber als dass sie sich sachlich informieren. Man kann sich informieren – aber wer will das? An der VHS wurde ein solches Angebot abgelehnt, weil kein Interesse bestünde. Und wahrscheinlich hat sie recht: wer will sich schon die liebgewordenen Feindbilder ankratzen lassen? Sie sind so herrlich wohlig kämpferisch – solange es nicht ernst wird. Einer, der Feindbilder hat und pflegt, kann sich so unheimlich gut vorkommen. Solange es nicht ernst wird.

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