Leserbriefe

Den großen Wert alter Bäume bedenken

Dieter Braunmüller, Nürtingen. Zum Artikel „OB legt sich für Wasen-Pläne ins Zeug“ vom 28. November. Punktgenau zum Amtsantritt von OB Dr. Fridrich am 1. August hat ihm sein Vorgänger mit dem Bebauungsplan „Am Wasen“ ein Kuckucksei ins Nest gelegt, dessen Inhalt für die Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist. In ökologischer und städtebaulicher Hinsicht ist der von der Stadt erstellte Bebauungsplan eine Katastrophe. Dies müsste auch denjenigen Stadträten bewusst sein, die der Sorge vor dem Imageverlust gegenüber Landrat und Investor einen höheren Stellenwert einräumen als der Bedrohung unserer Kinder und Enkelkinder durch die Klimakatastrophe. Das Prinzip „Augen zu und durch“ ist keine Lösung. Der Hinweis, dass dringend Wohnungen benötigt werden, lässt sich durch die geplanten Baugebiete Bahnstadt und Bergäcker entkräften, die mit Sorgfalt und Weitsicht entwickelt werden.

Zentraler Kritikpunkt ist das Fällen von 62 Bäumen. In der Satzung des Bebauungsplanes steht, dass für jeden abgehenden Baum pro 350 Quadratmeter Baufläche ein Ersatzbaum mit einem Baumumfang von 20 Zentimeter gepflanzt werden muss. Bei einer Grundstücksfläche von rund 14 500 Quadratmeter wären dies 40 Bäume mit einem Durchmesser von sechs Zentimetern! Das muss man sich bitte an Daumen und Zeigefinger deutlich machen. Auf der Tiefgaragendecke haben diese Bäume keinerlei Entwicklungsmöglichkeit. Die großen ausgewachsenen Bäume auf dem Psychiatriegelände und entlang der Promenade am Neckar – etwa 30 mit einem Durchmesser von 66 bis 100 Zentimeter – sollen entfernt werden. Ein horrender und nicht auszugleichender Verlust!

Wer kennt den Wert eines Baumes? Auf einem kürzlich von Mitgliedern der Bürgerinitiative besuchten Fachseminar in Stuttgart zum Thema „Bauen am Fluss“ gab es die Antwort: Ein Baum in der Größenordnung der Wasenbäume hat etwa 600 000 Blätter. Er produziert täglich Sauerstoff für zehn Menschen und bindet 24 Kilogramm CO2. Für das Stadtklima und den Wasserhaushalt also unersetzlich. Zwei Vertreter der Stadt standen ebenfalls auf der Teilnehmerliste. Das heißt man kann einen Sachverstand bei der Stadt unterstellen. Warum wurde dieser nicht eingebracht? Spielte der Zeitdruck eine Rolle?

In städtebaulicher Hinsicht ist die künftige Breite des öffentlichen Rad- und Fußwegs entlang des Neckars völlig indiskutabel. Eine klare Aussage gibt es nicht. Statt einer Verbreiterung erfolgt eine Reduzierung des Weges. Wo bleibt die Promenade, das Erlebnis am Neckar, der Platz für die Bürger, eine notwendige Verbreiterung aufgrund des Neckartalradwegs und der Zunahme der Elektrofahrräder?

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