Leserbriefe

Das Thema ist sehr vielschichtig

Sem Schade, Wendlingen. Zum Leserbrief „Bei der Geburtenrate muss man anfangen“ vom 10. August. Wen meint der Leserbriefschreiber mit „man“? Und was genau muss hier „angefangen“ werden? Er hat recht, dass die Geburtenraten in Afrika hoch sind, viel höher als in Deutschland. Wohlgemerkt war es nach dem Krieg aber auch in Deutschland üblich, sechs Kinder oder mehr zu haben. Da waren die Kinder Hoffnungsträger und wurden auch für den Wiederaufbau gebraucht. Heute wählen mehr Menschen die Karriere als die Familie.

Wer sich intensiver mit dem Kontinent Afrika und seiner Armut beschäftigt wird feststellen, dass die vielen Zusammenhänge recht komplex sind und nicht auf eine einfache Ursache, wie hier die Geburtenrate, herunterzubrechen sind. Versuchen wir mal, mit etwas Empathie an die Sache zu gehen. In einer instabilen Situation bietet eine große Familie etwas Stabilität und Zusammenhalt. Die Kinder sind Hoffnungsträger, Geld für die Familie zu erarbeiten und gehen (leider) auch in frühen Jahren arbeiten, um die Familie über Wasser zu halten, da die Erwachsenen schon körperlich verschlissen sind. Des Weiteren spielt die Familie kulturell eine größere Rolle.

Die Thematik Entwicklungshilfe sprengt auch diesen Rahmen. Aber so wie sie derzeit oft eingesetzt wird, gekoppelt an Bedingungen und Verpflichtungen, gegen Nutzungsrechte für Edelmetalle oder Handelsabkommen, die eine Landwirtschaft vor Ort unmöglich machen, weil deutsches Milchpulver subventioniert den Markt überschwemmt, ist sie kontraproduktiv. Sie schadet der Entwicklung mehr als dass sie hilft, weil wir, wie China auch, aus dem Kontinent weiter unsere Profite schlagen.

Und was ist jetzt der Vorschlag von Herrn Hummel? Geburten regulieren? Wo nicht einmal überall sauberes Trinkwasser verfügbar ist, teuer Geld in die Überwachung von Geburten zu stecken? Und wenn jemand schwanger wird? Zwangsabtreibung? Aus Angst, dass sie nach Deutschland fliehen könnten? Ich bezweifle, dass sich der Autor das selbst so genau überlegt hat. Aber Deutschland hat nicht das Recht, einer Frau in Afrika vorzuschreiben, wie viele Kinder sie zu bekommen hat.

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