Leserbriefe

Beschluss vor der Versammlung?

Dieter Braunmüller, Nürtingen. Die Bürgerbeteiligung in Nürtingen ist hanebüchen. Der nur noch wenige Monate amtierende Oberbürgermeister fügt seinen bisherigen Raffinessen eine weitere hinzu. Am 12. Februar soll im Gemeinderat ein Investorenwettbewerb für die von zwölf Zufallsbürgern empfohlene Bebauung mit einem hotelähnlichen Gebäudekomplex (Variante C) beschlossen werden. 4701 Nürtinger Bürger sind anderer Meinung. Die von der Fraktion NT 14 beantragte Einwohnerversammlung wird dann nach dem Beschluss stattfinden.

Wie der richtige Weg ist, zeigt der Beurener Bürgermeister Daniel Gluiber. Auch in Beuren steht ein Hotel zur Diskussion und die Bürger beklagen, dass sie von der Gemeinde zu wenig informiert und einbezogen werden. Der Bürgermeister hat spontan reagiert und zu einer Bürgerversammlung eingeladen. Die weitere Vorgehensweise skizziert er wie folgt: „Die Bürgerbeteiligung beginnt mit der Information über das Mitteilungsblatt, dann folgt die Bürgerversammlung, ehe sich Workshops und Runde Tische anschließen könnten.“ Hut ab vor dieser Bürgernähe!

In Nürtingen zäumt der OB das Pferd bewusst von hinten auf. Der Beschluss kommt vor der Information und der Beteiligung. Die Bürger warten nun seit fast 600 Tagen auf die Fortsetzung der letzten öffentlichen Informationsveranstaltung am 19. Juni 2017 in der Glashalle Nürtingen, die für den Investor und die Verwaltung nicht erfreulich endete. Der OB hat damals eine weitere Informationsveranstaltung zugesagt.

Die Folgen eines entsprechenden Beschlusses am 12. Februar wären fatal: Der 2015 ausgelobte Ideenwettbewerb für das westliche Neckarufer wäre völlig umsonst gewesen (Kosten 240 000 Euro). Die 2018 beschlossene Bewerbung für die Landesgartenschau könnte das gleiche Schicksal erleiden wie die vorangegangene Bewerbung, wenn am linken und rechten Neckarufer Freiraum-Gestaltungsmöglichkeiten verhindert werden (Kosten 100 000 Euro).

Zur Erinnerung: 1999 erhielt Nürtingen in einem bundesweiten Wettbewerb den ersten Preis als bürgerorientierte Kommune zugesprochen. Hervorgehoben wurde von der Jury die strategisch angelegten Bemühungen um eine umfassende Anerkennungs- und Beteiligungskultur. Unter der Ägide des amtierenden Oberbürgermeisters ist der Begriff „Bürgerbeteiligung“ zum „Unwort des Jahres“ in Nürtingen geworden. Daran sind einige Gemeinderatsfraktionen stark beteiligt.

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