Leserbriefe

Berufserfahrung: Ist die nicht mehr nötig?

Joachim Panzer, Erkenbrechtsweiler. Zum Artikel „Baerbock wagt den großen Sprung“ vom 20. April. Warum kann ich nicht Bundeskanzlerin werden? Diese Frage könnten sich Frau Maier und Frau Müller, die als Altenpflegerinnen, Kindergärtnerinnen, als Friseurinnen, mit zwei bis drei Kindern ihre Familien durchzubringen versuchen, vor dem Hintergrund der momentanen politischen Diskussionen, mit Fug und Recht stellen. Unmöglich! Diese Frauen haben keinen Stallgeruch, sie gehören nicht dem inneren Zirkel einer Partei an, vor allem aber haben sie eines nicht: Sie können keine akademische Laufbahn vorweisen. Es gibt in Deutschland genügend gut qualifizierte Frauen und Männer, die jedoch, da sie kein (Jura-)Studium absolviert haben, kaum die Chance haben, an die Schalthebel der politischen Macht zu gelangen.

Noch immer gelten in Wirtschaft und Verwaltung jahrzehntelange Berufs- und Lebenserfahrung als Voraussetzung für das Erreichen einer Führungsposition. Für das zweithöchste Amt, das die parlamentarische Demokratie in Deutschland zu vergeben hat, das Amt der Bundeskanzlerin/des Bundeskanzlers, scheinen ein Studium der Politik und des Völkerrechts und eine paar Jahre Praxis im Politikbetrieb völlig auszureichen. Eine größere Marginalisierung eines politischen Amtes mit internationaler Ausstrahlung, nach dem Motto: „Das kann ja jeder“, ist kaum vorstellbar. Ist das im Interesse der Wählerinnen und Wähler?

Offenbar haben alle Parteien ein ähnliches Rekrutierungsproblem, scheinen doch ihre Amtsträger hoch- bisweilen überversorgt auf Lebenszeit, fernab der Realität zu leben. Es ist sehr schade, dass ausgerechnet die Grüne Partei, die einmal angetreten war, die alten Machteliten herauszufordern, sich nun ebenfalls in diesem politischen Wellness-Betrieb etabliert hat.

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