Leserbriefe

Alice Schwarzer und die Prostitution

Hartmut Schewe, Aichtal-Neuenhaus. Zu den Artikeln „Zwei Paar Stiefel“ und „Frauenrechtlerinnen empört über Amnesty“ vom 13. August. Da glaubten wir doch alle, die allerhöchste deutsche Moralinstanz, Ihrer Moralgnaden Alice Schwarzer, wäre ins Ausland gedümpelt. 800 000 Euro habe sie vorsorglich dort deponiert, weil sie wegen der ständigen Anfeindungen in Deutschland mit dem Schlimmsten hätte rechnen müssen. Wegen der in Deutschland höchster Gefahr für sie wäre sie leider nicht mehr dazu gekommen, die dort erworbenen Gelder auch dort zu versteuern.

So viel zur Moralität der Frau Schwarzer. Die weiß noch gar nicht, dass die gesellschaftliche Entwicklung gänzlich an ihr vorbeiging. Irgendjemand sollte es ihr mal sagen.

Sehr erfreulich sind dagegen die beiden Artikel der Frau Siefert und die Stellungnahme des deutschen Frauenrats. Dem kann sich jeder vernünftige Mensch nur anschließen. Leider fehlt ein nicht ganz unwichtiger Aspekt. Nämlich der, was passieren kann, wenn allumfassende Verbote für gesellschaftliche Phänomene wie die Prostitution erlassen werden, statt sie in geregelten Bahnen zu akzeptieren.

Ein Paradespielspiel, wie die Dinge aus dem Ruder laufen können, ist die Prohibition (Verbot aller Alkoholika) in den USA zwischen 1920 und 1933. Für das organisierte Verbrechen war das ein Geschenk des Himmels! Gangsterbosse wie Meyer Lansky oder Al Capone scheffelten Millionen durch illegale Alkoholproduktion und -schmuggel aus Kanada und Mexiko, die Zwangsprostitution trieb als „Begleit“-Kriminalität Blüten, die Zuhälter wurden als Unterbosse ebenfalls steinreich so wie auch eine ganze Reihe von Polizisten und Polizeioffizieren durch Wegschauen und -hören erhebliche Nebeneinnahmen einstrichen. Die Gangstersyndikate entdeckten sehr schnell, dass der Handel mit Opiaten höchst einträglich sein kann. Sie nutzten die für den Alkoholvertrieb aufgebaute Infrastruktur für die harten Drogen und die besteht noch heute.

Im Unterschied zur Profi-Schwarzseherin Schwarzer ahnte Sigmund Freud, was kommen würde: „Wer durch Dezennien Schlafmittel genommen hat, kann natürlich nicht schlafen, wenn man ihm das Mittel entzieht. Dass die Wirkung der religiösen Tröstungen der eines Narkotikums gleichgesetzt werden darf, wird durch einen Vorgang in Amerika hübsch erläutert. Dort will man jetzt den Menschen – offenbar unter dem Einfluss der Frauenherrschaft – alle Reiz-, Rausch- und Genussmittel entziehen und übersättigt sie zur Entschädigung mit Gottesfurcht. Auch auf den Ausgang dieses Experiments braucht man nicht neugierig zu sein. Müssen wir in einer weltoffeneren Gesellschaft als damals neugierig sein auf die langfristigen Ergebnisse der Prostitutions-Verbote wie derzeit in Schweden und Frankreich?“

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