Weihnachtsgrüße

Von hyperaktiven Lichterketten und großen Schlittschuhbahnen

Alicia Grupp schickt bereits zum vierten Mal Weihnachtsgrüße: In diesem Jahr aus New York.

Alicia Grupp arbeitet zurzeit in New York, genauer gesagt bei den Vereinten Nationen im Büro des UN-Generalsekretärs. Foto: privat

So langsam wird mein Bericht in dieser Ausgabe schon Tradition. Seit meinem Abi 2015 darf ich jetzt schon das vierte Mal berichten und zufälligerweise auch immer von einem anderen Kontinent – dieses Jahr aus New York (2015 Myanmar in Asien, 2018 Chile in Südamerika, 2022 Vereinigtes Königreich in Europa).

Dieses Jahr berichte ich aus den USA, dem Land der Superlativen: Im Land der hyperaktiven Lichterketten, der Weihnachtspopsongs und der unschlagbaren Weihnachtssonderangebote in der Black Week. Anfang September bin ich nach New York gezogen und es ist irgendwie verrückt, denn wenn man eine Stadt aus Filmen und Serien kennt, dann ist das wahrscheinlich New York. Deshalb haben die meisten ein Bild im Kopf, wenn er oder sie an Weihnachten in New York denkt.

Schon zu Halloween waren die Dekorateure auf einem anderen Niveau unterwegs und in der Weihnachtszeit wird hier noch mal eine Schippe draufgelegt. Schon jetzt, Ende November schießen die privaten Stromrechnungen in die Höhe, denn beim inoffiziellen Lichterkettenwettbewerb möchte keiner den Kürzeren ziehen. Kurz nach dem 31. Oktober wird die Halloween-Dekoration im Keller verstaut, um der Weihnachtsdeko Platz zu machen.

Ein Highlight in der New Yorker Weihnachtszeit ist zum einen der Thanksgiving-Feiertag (Erntedankfest), der am dritten Donnerstag im November traditionellerweise mit viel Essen im Rahmen der Familie gefeiert wird. Zu Thanksgiving gehört auch die weit über die Grenzen von New York bekannte Macy’s Parade, eine Parade, bei der riesige Helium-Ballone von bekannten Comic-Figuren wie Kung Fu Panda oder Spongebob durch Manhattan „geflogen“ werden.

Die Parade beginnt morgens um 8.30 Uhr, doch um einen Platz in der ersten Reihe ergattern zu können, campen die eingeschworenen Fans schon seit den frühen Morgenstunden. Als ich dort um 7.30 Uhr ankam, waren die ersten zehn Reihen schon besetzt und es gab fast kein Durchkommen mehr.

Ein weiteres Highlight ist das Einschalten der Beleuchtung des legendären Weihnachtsbaums am Rockefeller Center am 29. November, was sogar live im Fernsehen übertragen wird. Aber auch die Schlittschuhbahnen im Bryant Park, am Rockefeller Center und im Central Park gehören zur Winter- und Weihnachtszeit einfach dazu. Besonders beeindruckend sind auch die Schaufenster auf der Fifth Avenue, die für ihre extravagante Weihnachtsdekoration bekannt sind. Hier bieten sich die Geschäfte der Luxusmarken wie Dior oder Cartier ein Battle, um das am schönsten dekorierte Schaufenster.

Nach New York hat es mich im Rahmen des Carlo-Schmid-Programms verschlagen. Hier arbeite ich seit Anfang September bei den Vereinten Nationen im Büro des UN-Generalsekretärs. Das UN-Gebäude liegt mitten in Manhattan, was sich irgendwie immer noch ein bisschen unwirklich anfühlt.

Morgens im absoluten Pendlerverkehr quetsche ich mich in Brooklyn in die Subway, muss einmal am Union Square umsteigen, bevor es dann vom imposanten Gebäude des Grand Central, dem Hauptbahnhof (auch bekannt aus „Gossip Girl“), die 42. Straße zum UN-Hauptgebäude geht. Hier sitze ich im 37. Stockwerk (von 38) und habe damit auch noch eine richtig schöne Sicht über Midtown zum Beispiel auch auf das Chrysler Gebäude und die Lichter am Times Square.

Innerhalb des Büros bin ich Teil des Complex Risk Analytics Fund (CRAF’d), ein relativ neuer Fond innerhalb der UN. Unser Ziel ist es, Projekte finanziell zu unterstützen, die Datenverfügbarkeit in fragilen Kontexten (Kontexte, die von multiplen Krisen betroffen sind) zu verbessern, sowie KI (künstliche Intelligenz) und Analysemöglichkeiten für diese Daten auszubauen. Langfristig soll so die Verteilung von Hilfsgeldern schneller und gezielter möglich sein, da bessere (evidenzbasierte) Entscheidungen getroffen werden können.

Ich habe das Glück in einem sehr kleinen Team mitzuarbeiten. Daher bekomme ich richtig viel mit. Ich sitze hier quasi am Epizentrum der internationalen Politik. Ganz am Anfang meiner Zeit hier war auch die Woche der UN-Vollversammlung. Über 150 Staats- und Regierungschefs haben in der UN-Generalversammlung, nur ein paar Stockwerke unter mir, Reden gehalten. Irgendwie schon verrückt, wenn man da so vor sich hinarbeitet und weiß, dass Selensky, der Präsident der Ukraine, im gleichen Haus eine Rede hält, und Antonio Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, sich ein Stockwerk höher im Rahmen von bilateralen Gesprächen mit dem russischen Außenminister Lawrow trifft.

Diesen Blick über Midtown genießt Alicia Grupp aus ihrem Büro im 37. Stock. Foto: privat

Aber auch außerhalb der offiziellen Reden in der UN gab es spannende „Side Events“, beispielsweise eins mit der deutschen Entwicklungsministerin Svenja Schulze oder Events über digitale Kriegsführung in Kooperation mit Microsoft oder eine Buchlesung mit Kristina Lunz, die das deutsche Zentrum für feministische Außenpolitik gegründet hat. Aber auch nach der High-level-Week hat man viele Möglichkeiten, zu spannenden Events zu gehen.

CRAF’d selbst war an der Organisation der fünftägigen Konferenz „Data for Peace“ („Daten für Frieden“) beteiligt. Außerdem hatte ich Ende Oktober noch die Möglichkeit auf die „German-American Conference“ in Harvard zu gehen. Auch das war super spannend. Dort gab es unter anderem Keynotes vom deutschen Botschafter in der USA, dem Chef des Bundeskanzleramts, führenden Forscherinnen, jungen Gründenden und zukunftsdenkenden Menschen aus der Privatwirtschaft.

Gleichzeitig führt einem eine Institution wie Harvard auch vor Augen, wie ungleich die amerikanische Gesellschaft, aber auch die Welt ist. Unter anderem in Harvard kommt wirklich die akademische Elite zusammen, gleichzeitig ist Studieren in den USA so teuer, dass sich das nur eine kleine Gruppe von privilegierten Menschen leisten kann, die dann aber Zugang zu der wahrscheinlich besten Bildung der Welt hat. Der Großteil der Menschen ist davon aber ausgeschlossen. Glücklicherweise gibt es immer mehr Stipendien, trotzdem ist das Bildungswesen nach wie vor auf die finanzielle Oberschicht ausgerichtet, da gibt es auf jeden Fall noch einiges zu tun, um das zu ändern.

Viele haben mich und meine Kommilitonen im Lauf der Jahre immer wieder gefragt, was man mit einem Politikwissenschaft-Studium machen kann: Das hier ist jetzt ein Beispiel.

Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was die Weihnachtszeit für mich in den nächsten Wochen noch bringt, Besinnlichkeit kann ich mir in New York noch nicht ganz so gut vorstellen, aber mit Lebkuchen habe ich mich schon eingedeckt und Plätzchen werden definitiv auch noch gebacken. Die Weihnachtstage selbst werde ich in Aruba in der Karibik verbringen, um ein paar Tage Sonne zu tanken, denn der Winter in New York ist ziemlich kalt. Bisher hatten wir zwar noch keinen Schneesturm – ich bin gespannt, ob noch einer kommt.

Zum Schluss noch drei Dinge: Sollte ich noch ein weiteres Mal hier in „Weihnachtsgrüße aus aller Welt“ berichten, wäre es bereits das fünfte Mal – fünf Mal wäre ja schon fast eine kleine Tradition. Allerdings um dem entstandenen Muster treu zu bleiben, würde ich dann gerne erneut von einem neuen Kontinent berichten. Ich bin daher offen für Jobs und Reiseangebote in Afrika, Australien oder der Antarktis.

Liebe Grüße an alle Zuhausegebliebenen und an alle Reisenden, insbesondere an Verena, die Weihnachten dieses Jahr auf einem Segelboot in Australien verbringt.

Und jetzt das Wichtigste: Liebe Oma, wie immer, wenn ich irgendwo herumschwirre, wünsche ich dir von Herzen nur das Allerbeste zum Geburtstag. Ich freue mich darauf beim nächsten Aperol mit dir auf dich anzustoßen.

Alicia Grupp

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