Weihnachtsgrüße
Deutsche Silberhochzeit unter spanischer Sonne
Iris und Marcus Zimmermann berichten von ihrem Leben im katalonischen Castelldefels
Hola, buenos días y bon día Nürtingen und Umgebung. Wir dürfen euch wieder herzlich aus Castelldefels, einem wunderschönen Küstenort etwa 20 Kilometer südwestlich von Barcelona entfernt, grüßen. Wir blicken mittlerweile unserem sechsten Weihnachtsfest in Katalonien gelassen entgegen und freuen uns auf eine gemeinsame Zeit mit unseren Kindern, die aus der Ferne anreisen werden.
Wer hätte gedacht, dass wir unsere Silberhochzeit einmal in Barcelona feiern würden, als wir am 20. Juni 2000 vor dem Traualtar in der Marienkirche in Owen standen. 25 Jahre später durften wir eine unvergessliche wunderschöne Silberhochzeit zusammen mit unseren drei erwachsenen Kindern, Freunden, Nachbarn und unseren kalalanischen Chören „Montau“ aus Begues und „Margalló“ aus Castelldefels erleben. Die deutsche
evangelische Gemeinde in Barcelona, die für uns über die Jahre zu einem Stück Heimat geworden ist, bot den perfekten Rahmen für unser Fest.
Der Gottesdienst, der mit Ausnahme des Segens auf spanisch gehalten wurde, begann feierlich mit unserem Einzug in die wunderschön schlichte Martin-Luther-Kirche. Während wir auf unseren Einzug warteten, informierte unser Pfarrer Oliver Spieß die Gäste über die Entstehungsgeschichte der Kirche und deutschen Gemeinde und insbesondere über den evangelischen Glauben.
Mit seiner einfühlsamen Ansprache konnte er die Anspannung der Katalanen rasch nehmen. Man bedenke, dass der Katholizismus (80 Prozent Anteil) die vorherrschende Religion in Spanien ist und der Protestantismus für spanische Katholiken nahezu unbekannt.
Während wir in Deutschland in der Regel beide Religionen kennen, nicht zuletzt aus dem Schulunterricht, wird hier in den öffentlichen und meisten privaten Schulen das Fach „Religion“ nicht unterrichtet. Auch wenn wir immer wieder im Vorfeld in den Chorproben und Chats betonten, dass sie eine familiäre Atmosphäre erwarten dürfen, war die Anspannung und die Bedenken vieler Chormitglieder und vor allem die des katalanischen Chorleiters deutlich zu spüren.
Schließlich haben die Chöre in Begleitung eines Pianisten einen wundervollen musikalischen Rahmen geschaffen. Durch die liebevoll und persönlich gestaltete Zeremonie war die Atmosphäre geprägt von Dankbarkeit, Freude und emotionalen Momenten, die viele Gäste sichtlich berührten.
Nach dem Gottesdienst versammelten sich unsere Gäste zum Empfang im wunderschönen Pfarrgarten. Bei Musik von einem Saxophonisten, Cava (spanischer Sekt), Vermut (wir berichteten bereits über dieses obligatorische Getränk in der Vergangenheit) und Paella wurde ausgelassen gefeiert, getanzt und sich rege ausgetauscht.
Die Chöre kamen sich näher und planten bereits weitere gemeinsame Aktivitäten. Mit einer Homeparty haben wir diesen unvergesslichen Tag ausklingen lassen.
Wie bereits in vergangenen Berichten erwähnt, werden in Spanien Emotionen offener gezeigt und dies nicht als Schwäche, sondern als normaler Teil der Kommunikation und des sozialen Lebens betrachtet. Der emotionale Ausdruck - ob Freude, Trauer oder Begeisterung - ist ein natürlicher Bestandteil des täglichen Miteinanders. Es ist üblich, Gefühle offen zu zeigen, Fremde zu umarmen oder bei Sportereignissen sehr emotional zu reagieren.
Zimmermanns sind in vielen Bereichen aktiv dabe, wie hier beim Sommerkarneval. Foto: privat
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Diese emotionale Offenheit wird positiv gesehen und trägt zur ausgeprägten Gemeinschaftsorientierung bei. Jenes Gemeinschaftsgefühl fasziniert uns immer wieder aufs Neue und lässt sich bei den unzähligen gesellschaftlichen und sportlichen Aktivitäten und Festivitäten, die mit viel Leidenschaft, Aufwand und Organisationstalent durchgeführt werden, beobachten.
Aber wir sind nicht nur Beobachter, sondern in vielen Bereichen aktiv dabei. Sei es auf der Theaterbühne oder auf dem Rathausplatz mit der Tanzschule oder den Chören zu besonderen Anlässen (es gibt gefühlt immer und ständig einen besonderen Anlass), bei ZumbaVeranstaltungen für einen guten Zweck oder beim Sommerkarneval oder in Kirchen und Nachbargemeinden zusammen mit anderen Chören.
Unter anderem haben wir Ausflüge zu Weingütern gemacht, die oft von der Sprachschule, in der wir in den ersten Jahren spanisch lernen, organisiert werden. Oder zu Karneval sind wir mit unserem Chor Montau in Begues mit selbstgestalteten Kostümen, die später nach unserer Sing - und Tanzaufführung prämiert wurden, bei einem bunten Umzug mitgelaufen.
Unser Highlight in diesem Jahr war am 11. Mai die „Festa de la Música“ (Musikfest) am und im berühmten Benediktinerkloster Montserrat, das von der „Federació Catalana D‘Entitats Corals“ (Katalanischer Verband der Chororganisationen) anlässlich des tausendjährigen Bestehen des Klosters ausgerichtet wurde. 50 katalanische Chöre (insgesamt über 1100 Sängerinnen und Sänger) haben an unterschiedlichen wunderschönen Orten um das Kloster herum mit zum Teil in Begleitung von Vogelstimmen kleine Konzerte gegeben. Anschließend wurde gemeinsam Mittag gegessen oder gepicknickt. Abschließend haben es die Organisatoren geschafft, in einem zweistündigen Konzert in der eindrucksvollen Klosterkirche die 50 Chöre nacheinander (ohne Zwischenapplaus) mit jeweils einem geistlichen Lied auftreten zu lassen. Es war sehr beeindruckend und erstaunlich, wie diszipliniert und reibungslos alles geklappt hatte.
Das Kloster Montserrat (Santa Maria de Montserrat Abtei) liegt etwa 45 Kilometer nordwestlich von Barcelona in einem Bergmassiv hoch in diesen zerklüfteten Felsen und ist ein Muss für religiöse und kulturelle Besucher, für Naturfreunde und Wanderlustige. Es ist für seine spektakuläre Lage mit atemberaubenden Aussichten in Richtung Barcelona und grandiosen Ausblicken in das Hinterland von Katalonien bis hin zu den Pyrenäen bekannt. Es beherbergt die verehrte Statue der „Schwarzen Madonna“, der Schutzpatronin Kataloniens. Tausende von Pilgern kommen jedes Jahr hierher, um sie zu sehen. Neben üblicher Verkehrsmittel wie Auto, Reisebus, Motorrad etc. ist die Zug-und Zahnradbahn-Kombination die beliebteste Methode der Anreise. Es gibt auch eine Seilbahn und zahlreiche Wanderwege. Der höchste Gipfel des Montserrat („der zersägte Berg“) ist der Sant Jeroni mit 1237 Metern.
Nicht nur in unserer Freizeit dürfen wir den ausgeprägten Gemeinschaftssinn beobachten und erleben, sondern auch bei der Arbeit. Ähnlich wie in Deutschland ist das Arbeiten in Coworking Plätzen äußerst beliebt. Seit der Pandemie boomen Online-Arbeitsplätze, die die Möglichkeit bieten, auch im Ausland einer geregelten Arbeit nachzugehen.
So hat auch Marcus seit 2024 ein Büro in einem Coworking-Space, das er sich mit einem Kollegen teilt. Dort arbeiten in den unterschiedlichsten Berufen neun unterschiedliche Nationalitäten zusammen. Es gibt dadurch sehr viel Energie durch die tolle Gemeinschaft und einer Coworking Chefin, die neben beruflichen Events auch viele Feiern an Ostern, Karneval, Weihnachten und einige Grillabende im Sommer organisiert.
Zusätzlich isst man gemeinsam zu Mittag, geht gemeinsam im Meer schwimmen und organisiert Padel-Turniere, eine Sportart, die auch in Deutschland langsam Einzug hält. Hier wird allerdings ganzjährig draußen gespielt.
Wir begegnen nicht nur Fröhlichkeit, Heiterkeit, Leichtigkeit und außerordentlicher Freundlichkeit, obwohl diese Nomen treffend sind für unsere alltäglichen Begegnungen und Erfahrungen. Es gibt auch herausfordernde Dinge wie zum Beispiel administrative Gänge. So ist die N.I.E. Nummer vergleichbar mit der deutschen Steuer-Identnummer. Bevor man ein Haus oder eine Wohnung mietet oder kauft, online Bestellungen aufgibt oder einen Handyvertrag abschließt, benötigt man die N.I.E. Nummer (Steuernummer für in Spanien lebende Ausländer).
Wir hatten diese Nummern damals vor unserem Umzug beim spanischen Konsulat in Stuttgart beantragt. Offiziell muss man innerhalb der ersten drei Monate seines Aufenthalts in Spanien als EU-Bürger sich mit seiner N.I.E. Nummer bei der Polizei registrieren lassen. Hierzu muss ein Termin digital beantragt werden. Aufgrund der Pandemie konnte man monatelang keine Termine bekommen.
Und auch danach waren Termine lange Zeit vergriffen. Spanische Freunde erläuterten uns, dass wohl „quasi-mafiöse“ Strukturen existieren, die alle Termine blockieren und diese für rund 150 Euro zum Kauf anbieten. Teilweise wird auch angeboten, den kompletten Registrierungsprozess zu begleiten, da dieser Ablauf sehr komplex ist. Dies erlebten wir am eigenen Leibe. Wir wurden mehrfach zurückgewiesen, obwohl wir unsere Unterlagen vollständig und immer wieder aktualisiert bereit hielten. Leider mussten wir feststellen, dass einige Beamte willkürlich festgelegte Vorgaben änderten und zum Beispiel unsere internationale Heiratsurkunde mit dreimonatiger Gültigkeit, die im September ausgestellt wurde, im Oktober nicht mehr anerkannten.
Mittlerweile haben wir nach mehreren Anläufen beide unseren N.I.E. Ausweis in den Händen, wenn man bedenkt, dass dies nach drei Monaten hätte geschehen sollen und wir bereits über fünf Jahre hier leben.
Zurück zur ausgeprägten Gemeinschaftsorientierung und spektakulären Festen und Veranstaltungen in Castelldefels. Auf der Homepage und in den sozialen Medien wie Instagram präsentiert sich Castelldefels von seiner besten Seite. Dort können all die Aktionen und aufwendigen Attraktionen in Bild und Video bestaunt werden. So kann bei einem Instagram-Beitrag am 23.11. vom „ajuntamentdecastelldefels“ (Rathaus von Castelldefels), die traditionelle offizielle Einschaltzeremonie der Weihnachtsbeleuchtung bestaunt werden. Eine Lichtfee („Fada de la llum“), schwebte artistisch mit riesigen Luftballons über hunderte von Gästen hinweg und schaltete mit ihrer Magie die wunderschöne Beleuchtung an.
Dies ist nur ein Beispiel für all die Feste, die leidenschaftlich ausgeführt werden und das „Wir-Gefühl“ stärkt. Der Kirch- und gleichzeitig Rathausplatz ist ein idealer Ort der Begegnungen von Jung und Alt und eignet sich hervorragend für die Gestaltung sämtlicher Veranstaltungen. Wir haben auch schon eine große Silvesterparty miterleben können, bei der -wie immer- der Bürgermeister mit auf der Bühne stand und aktiv mit seiner Gemeinde feierte, und es wurden gemeinsam die obligatorischen zwölf Trauben zum Jahreswechsel - mit jedem Glockenschlag eine - gegessen und bis in die Nacht getanzt. Feuerwerk gibt es hier übrigens nicht zu Silvester, sondern zu anderen Anlässen und vor allem zu San Juan vom 23. auf den 24. Juni. Es ist das Fest zu Ehren des Heiligen Johannes und die Feier des kürzesten Tages des Jahres (Sonnwendfeier), was mit großen Freudenfeuern, Feuerwerk, Musik und dem traditionellen Gebäck „Coca de San Juan“ begangen wird.
Jetzt freuen wir uns auf die gemeinsamen Weihnachtstage mit unseren Kindern.
Euch allen „Bon nadal“, „feliz navidad“, fröhliche Weihnachten
Iris und Marcus Zimmermann