NÜRTINGEN. Vor rund 70 Zuhörern referierte der Buchautor und ehemalige Polizist Roland Rosinus in den Räumen des Bürgertreffs Nürtingen zum Thema Angst. Der Vortrag fand im Rahmen der sechsten Veranstaltungsreihe zu den Wochen der seelischen Gesundheit statt, die vom Sozialpsychiatrischen Dienst Nürtingen und der Selbsthilfekontaktstelle Nürtingen veranstaltet wurden. Das Motto dieses Jahr war „Experten in eigener Sache“. So berichtete der 68-jährige Roland Rosinus von seinen eigenen Erfahrungen mit der Angst. Auslöser für eine Panikattacke war ein Tag, an dem viele Anrufe auf der Polizeidienststelle wegen eines Schneechaos eingingen und viel los war. Zudem hatten er und seine Frau mit dem Verlust ihres dreijährigen Kindes zu kämpfen, es ging ihm gesundheitlich nicht gut. Er hatte Platzängste und mied große Menschenansammlungen und hörte seinen eigenen Puls im Ohr pochen. Sein Kardiologe fand nichts. Schwindel, Übelkeit und kleine Ticks begleiteten ihn von nun an. Er konnte seine Kinder aus Schule und Kindergarten nicht mehr abholen, konnte das Haus teilweise nicht verlassen. Rosinus grübelte ständig über seine eigene Situation und fragte sich immer wieder, ob er diesen Tag schaffe.
Es dauerte lange, bis er die Diagnose „Angst“ erhielt, er fühlte sich mies und es gab lange keinen klaren Befund. Es war immer wieder die Rede von Burnout. Seine Frau und sein Chef haben zu ihm gehalten, es wurde eine Therapeutin gefunden, er kam in eine psychosomatische Klinik und im Anschluss machte er eine Verhaltenstherapie. Es hat ihm gutgetan, dass ihm zugehört wurde, er ausreden konnte und nichts bewertet wurde. Durch fachliche Hilfe und Eigenleistung konnte er zunächst kleine Fortschritte machen. Er lernte, dass er etwas tun muss, damit es ihm besser geht. Dazu zitierte er das chinesische Sprichwort: „Nur vom Reden wird der Reis nicht gekocht.“
Menschen halten keine eigenen Grenzen ein, weil sie akzeptiert und geliebt werden möchten, so Rosinus. Er lernte, dass sein Perfektionismus nicht immer gut ist und dass er auch Ecken und Kanten haben darf und ihn nicht jeder mögen muss. Auch, dass sein Wunsch nach Anerkennung nicht immer erfüllt wird. Er lernte, nach seinen eigenen Bedürfnissen zu schauen und mit Krisen umzugehen. Es dauerte fast drei Jahre, bis sich die Angst gelegt hatte. Rosinus wurde bewusst, dass er nicht mehr werden wollte wie früher, denn da war ja etwas, das die Angst ausgelöst hatte.
Zur Frage aus dem Publikum, wie er zu Medikamenten stehe, sagte er, dass er nicht unbedingt für Medikamente sei, aber jeder zu diesem Thema eine eigene Meinung habe und Medikamente in manchen Situationen sehr hilfreich sein können. Es komme immer auf die spezielle Situation und auf den Behandler an. Zum Schluss wünschte Rosinus den Zuhörern Kraft, Mut und Geduld und dass sie ihren eigenen Weg finden mögen – und an sich glauben.
Betroffene, die sich zum Thema Angst austauschen möchten, können sich bei der Selbsthilfekontaktstelle unter Telefon (07022) 75-369 melden.