Nürtingen

Standing Ovations für die Damen

Das Ensemble „Die Damen“ unter der sicheren Leitung von Susanne Dünnebier (halbrechts) bei der Aufführung der „Misa Criolla“ von Ariel Ramirez in der Roßdorfer Stephanuskirche am 1. Adventssonntag. Foto: Hans-Wolfgang Wetzel

NÜRTINGEN. Der argentinische Komponist Ariel Ramirez (1921–2010) erhielt den Anstoß für seine „Misa Criolla“ schon in den 50er Jahren in Deutschland. Diese folkloristische Messe-Vertonung hat er nach der Öffnung für Muttersprachen im 2. Vatikanischen Konzil (ab 1962) in seinem lateinamerikanischen Spanisch entworfen, verbunden mit geradezu enzyklopädisch ausgewählten Rhythmen und Singweisen des südamerikanischen Kontinents. Die neuartige Bearbeitung der fünf Ordinariumstexte (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei) erlebte ab 1964 einen beispiellosen Siegeszug über den ganzen Erdball. Die populären Rhythmen und die unkomplizierte Tonsprache taten dazu ein Übriges. Das renommierte Nürtinger Vokalensemble „Die Damen“ hat das halbstündige Werk am ersten Adventswochenende in zwei Aufführungen glänzend präsentiert, nach St. Peter in Bempflingen auch in St. Stephanus im Roßdorf. Die Chorleiterin Susanne Dünnebier hat dem Werk sogar zu einer Weltpremiere verholfen: Den vierstimmigen Chorsatz für gemischte Stimmen hat sie samt der beiden solistischen Tenorstimmen in eine Version für gleiche Stimmen übertragen, also ihrem Ensemble auf den Leib geschneidert. Eine knifflige Herausforderung, den Tonumfang von mehr als drei Oktaven auf etwa zwei Oktaven zu verdichten. Entstanden sind ganz neue Klänge, die das rustikal-kräftige Original in einen fast ätherischen Sound transformiert haben. Dennoch erlebte man die 18 Damen in gewohnter dynamischer Bandbreite. Mächtiges Fortissimo bis zum verebbenden Pianissimo. Und das trotz spanischer Phonetik in klangreinen Vokalen von betörender Reinheit. Ein zweites Werk von Ramirez, fast gleichzeitig entstanden, ist die Weihnachtskantate „Navidad Nuestra“. Das sind sechs Stücke entlang der Legende des Evangelisten Lukas. Verkündigung, Wanderung nach Bethlehem, Geburt, Hirten und Könige bis zur Flucht nach Ägypten sind in je eigenem Kolorit nachempfunden. Fast jazzig die Reise, herzergreifend innig die Geburt, mit einer Panflöte von den Anden stilvoll ergänzt, ruppig und temperamentvoll die Hirten und die Könige, endlos wie eine Wüste die Flucht nach Ägypten. Das abschließende „Vamos, vamos, vamos“, vielfach repetiert bis zu unendlicher Stille, zeigte die Stimmkultur der Damen in stupendem Adel der Tongebung. Müßig, die Gesangskultur des Vokalensembles einzeln zu würdigen. Die Damen verfügen über ein Kaleidoskop von Klängen, einer vokalen Orgel ähnlich, mit vielen Registern, und doch wie ein einziger Klangkörper. Der Chor wurde begleitet von einer dreiköpfigen Instrumentalgruppe, versiert, rhythmisch sicher und mit knackigem Drive: L. Arellano (achtsaitige Charango aus Peru, Panflöte, Gitarre, Trommel), J. Hopf (Gitarre, Schlagwerk) und R. Wipper (Stage-Piano). Alle drei spielten als Bindeglied zwischen den beiden großen Werken je ein reizvolles Instrumentalstück. Mit brausendem Applaus der dankbaren Zuhörer, die am Ende des Konzerts dem großartigen Ensemble stehend Beifall spendeten, der lange nicht enden wollte.

Zur Startseite